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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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werden, und Despreaux sagt, dass er siebenundsechzig Francs pro Tag kostet«, murmelte Marschall Berthier. Jean-Baptiste lachte. Dann kam die Kutsche des Papstes. Sie wurde von acht grauen Pferden gezogen, und wir erkannten natürlich sofort, dass es die Galakalesche der Kaiserin war, die man dem Papst zur Verfügung gestellt hatte. Der Papst trat ins Palais des Erzbischofs, gab uns aber keine Gelegenheit, von ihm begrüßt zu werden. In einem der unteren Räume legte er schnell seine Insignien an, verließ dann an der Spitze der höchsten Geistlichkeit das Palais und schritt langsam auf das Portal von Notre-Dame zu. Jemand öffnete ein Fenster. Die Volksmenge verhielt sich schweigend. Nur Frauen knieten bei seinem Anblick nieder, während die meisten Männer nicht einmal ihre Mützen abnahmen. Plötzlich hielt der Papst an, sagte etwas und machte über einen jungen Mann, der in der ersten Reihe mit hocherhobenem Haupte dastand, das Kreuz. Später haben wir erfahren, dass Pius VII. den Blick über diesen jungen Mann und alle anderen Stehenden gleiten ließ und lächelnd bemerkte: »Ich glaube, der Segen eines alten Mannes kann nie schaden.« Noch zweimal zeichnete der Papst das Kreuz in die frostklare Luft, dann verschwand die weiße Gestalt im Portal des Domes, und wie eine rote Welle schlugen hinter ihr die Gewänder der Kardinäle zusammen. »Was geschieht jetzt in Notre-Dame?«, wollte ich wissen. Jemand erklärte mir, dass beim Eintritt des Papstes der Chor der Kaiserlichen Kapelle »Tu es Petrus« angestimmt habe und dass sich der Papst auf einen Thron setzen werde, der links vom Altar aufgestellt sei. »Und nun sollte der Kaiser bereits erscheinen«, wurdehinzugefügt. Aber der Kaiser ließ das Volk von Paris, die ausgerückten Regimenter, die berühmten Gäste und das Oberhaupt der Heiligen Römischen Kirche noch ein volle Stunde auf sich warten.
    Endlich verkündeten Kanonensalven, dass der Kaiser die Tuilerien verlassen hatte. Ich weiß nicht, warum, aber plötzlich verstummten wir. Schweigend traten wir vor die großen Spiegel im Erdgeschoss, wortlos rückten die Marschälle ihre Ordenssterne zurecht, strammten die blaugoldenen Röcke und ließen sich von Kammerdienern die blauen Mäntel über die Schultern werfen. Als ich mir mit der Puderquaste übers Gesicht fuhr, bemerkte ich erstaunt, dass meine Hände zitterten. Wie Sturmrauschen klang es – fern zuerst, dann lauter und lauter, schließlich brausend nah: »Vive l’Empereur – Vive l’Empereur …« Murat zu Pferd wurde sichtbar in der goldstrotzenden Uniform des Gouverneurs von Paris. Hinter ihm donnerten Dragoner heran. Dann Herolde zu Pferd: lila Samtgewänder, mit goldenen Adlern bestickt. Die Herolde trugen Stäbe, die mit Goldbienen verziert waren. Ich starrte ganz verblüfft auf die lila Pracht. Und da wollte ich ihm einmal für mein Taschengeld eine Uniform kaufen, weil seine schon so abgewetzt war … Eine vergoldete Kutsche nach der anderen fuhr vor, jede mit sechs Pferden bespannt. Despreaux stieg aus der ersten, die Personaladjutanten des Kaisers aus der zweiten, dann kamen die Minister. Und schließlich in einem Gefährt, das von oben bis unten mit Goldbienen geschmückt war, die Kaiserlichen Prinzessinnen. Die Prinzessinnen waren alle in Weiß und trugen winzige Kronen im Haar. Julie trat schnell auf mich zu und drückte meine Hand. Ihre Finger waren eiskalt. »Wenn nur alles klappt«, sagte sie im Tonfall von Mama. »Ja, aber pass auf deine Krone auf, die sitzt ganz schief«, flüsterte ich zurück. Wie eine Sonne tauchte im Grau diesesWintertages die Kaiserkutsche auf. Sie war über und über vergoldet und mit einem Fries von Bronzemedaillons geschmückt. Diese Reliefs stellten die einzelnen Departements dar und waren durch goldene Palmenblätter miteinander verbunden. Auf dem Dach des Fahrzeuges schimmerten vier riesige Bronzeadler, die Klauen in Lorbeerzweige geschlagen. Zwischen ihnen ruhte eine mächtige vergoldete Krone. Die Kutsche war mit grünem Samt, der Farbe Korsikas, ausgeschlagen. Acht Pferde mit weißen Federbüschen hielten schnaubend vor dem Palais. Wir waren aus dem Tor getreten und bildeten Spalier.
    In der rechten Ecke der Kutsche lehnte der Kaiser. Napoleon war in purpurroten Samt gekleidet, und als er ausstieg, sahen wir, dass er weite Pluderhosen trug und weiße, mit Edelsteinen bestickte Seidenstrümpfe. In diesem Aufzug wirkte er völlig fremd und verkleidet, ein Opernbild mit etwas zu kurz geratenen Beinen;

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