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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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Politik, die Schwedens Selbständigkeit bewahren kann. Wenn es mir gelingt – Désirée, wenn mir das gelingt, wird es auch zur schwedisch-norwegischen Union kommen.« Er lehnte jetzt am Ofen und vergrub die entzündeten Augen in der Hand. »Mehr kann man nicht von einem Menschen verlangen. Und solange Europa mich braucht, um Napoleon zu bekämpfen, wird mich Europa schützen. Wer nachher zu mir halten wird, Désirée –?« »Das schwedische Volk, Jean-Baptiste. Nur das schwedische Volk, und darauf kommt es an. Halt dich an die Schweden, die dich gerufen haben!« »Und du, kleines Mädchen?« »Ich bin nur die Frau eines wahrscheinlich genialen Mannes. Und nicht jene Desideria, die sich der schwedische Adel gewünscht hat. Ich schade deinem Ansehen. Der Adel hier wird sich über mich lustig machen, und die Bürger werden ihrem Adel mehr Glauben schenken als einer Ausländerin. Lass mich reisen, Jean-Baptiste, deine Stellung wird dadurch fester.« Ich lächelte traurig. »Beim nächsten Schlaganfall des Königs wirst du zum Regenten ernannt werden. Du kannst deine Politik besser durchführen, wenn du die Regentschaft übernimmst. Du hast es leichter ohne mich, Liebster.«
    »Es klingt sehr vernünftig, kleines Mädchen, aber – nein, nein! Erstens kann ich Napoleon nicht die schwedische Kronprinzessin als Geisel nach Paris setzen. Meine eigenen Entschlüsse wären gehemmt, wenn ich dich in ständiger Gefahr wüsste und –« »Wirklich? Du hast doch kurz vor deiner Ankunft hier den Staatsrat gebeten, nichtauf das Liebste, was du hast, Rücksicht zu nehmen. Damals befanden wir uns noch auf französischem Gebiet. Oscar und ich. Nein, Jean-Baptiste – du kannst keine Rücksicht nehmen. Wenn die Schweden zu dir stehen sollen, musst du auch zu ihnen stehen!« Ich nahm seine Hand, zog ihn auf die Armlehne meines Lehnstuhles nieder, drückte mich an ihn: »Außerdem – glaubst du wirklich, dass Napoleon jemals die Schwägerin seines Bruders Joseph verhaften ließe? Sehr unwahrscheinlich, nicht wahr? Und da er dich kennt, so weiß er, dass das zu nichts führen würde. Du siehst doch, dass er mir einen Zobelpelz geschenkt hat, während er gleichzeitig einen abweisenden Brief der schwedischen Regierung erhielt. Mich nimmt man nicht ernst, Liebster, lass mich reisen!« Er schüttelte heftig den Kopf. »Ich arbeite Tag und Nacht, in meiner Freizeit lege ich den Grundstein neuer Gebäude und empfange die Rektoren der Universität, in meiner Mittagspause fahre ich auf den Exerzierplatz und versuche, meinen Schweden beizubringen, wie Napoleon seine Soldaten drillt – ich kann das nicht durchhalten, wenn ich dich nicht in meiner Nähe weiß. Désirée – ich brauche dich.« »Andere brauchen mich mehr, Jean-Baptiste. Es wird vielleicht der Tag kommen, an dem mein Haus das einzige ist, in dem meine Schwester und ihre Kinder Schutz finden können. Lass mich reisen, Jean-Baptiste. Ich bitte dich!« »Du kannst nicht das Ansehen Schwedens missbrauchen, um deiner Familie zu helfen. Désirée, das dulde ich nicht!« »Ich werde das Ansehen Schwedens immer missbrauchen, wenn ich irgendjemandem, der verfolgt wird, helfen kann. Schweden ist ein kleines Land, Jean-Baptiste, mit ein paar Millionen Einwohnern, nicht wahr? Nur durch seine Menschlichkeit kann Schweden groß werden.« »Man sollte glauben, dass du dir Zeit nimmst, Bücher zu lesen«, lächelte Jean-Baptiste. »Ich werde mir die Zeit nehmen,Liebster. In Paris habe ich nichts anderes zu tun. Ich werde versuchen, mich zu bilden. Damit ihr euch später einmal meiner nicht schämen müsst, du und Oscar.« »Désirée, das Kind braucht dich, kannst du dir wirklich vorstellen, dich von Oscar auf längere Zeit zu trennen? Ich weiß doch nicht, wie sich die Verhältnisse entwickeln, vielleicht kannst du nicht so bald zurückreisen. Europa wird ein einziges großes Schlachtfeld werden, und du und ich –« »Liebster, ich darf dich sowieso nicht an deine Front begleiten. Und das Kind –« Ja, das Kind. Die ganze Zeit hatte ich versucht, diesen Gedanken fortzuschieben. Die Vorstellung, mich von Oscar zu trennen, war wie eine offene Wunde und brannte. »Das Kind, Liebster, ist jetzt ein Erbprinz. Umgeben von drei Lehrern und einem Adjutanten. Das Kind hat seit unserer Ankunft in Stockholm sehr wenig Zeit für mich gehabt. Ich kenne doch seinen Stundenplan, jede Minute ist eingeteilt. Anfangs wird es mich sehr vermissen und dann einsehen, dass ein Erbprinz sich niemals seinen Gefühlen

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