Désirée
verlassen«, fügte sie vergnügt hinzu. »Sie ist doch die Mutter seines Sohnes«, protestierte ich. Aber Josephine schüttelte den Kopf mit den süßen Kinderlöckchen. »Das bedeutet nichts, ich zum Beispiel bin immer mehr Frau als Mutter gewesen. Diese Marie-Luise – ein Mädchen aus sehr feiner Familie – ist wahrscheinlich mehr Tochter als Frau oder Mutter. Mich hat mein Bonaparte selbst gekrönt. Marie-Luise dagegen ist von ihrem Papa mit diesem Napoleon von Gottes Gnaden verheiratet worden … Was immer auch geschieht, Sie dürfen nicht vergessen, was ich Ihnen gesagt habe. Désirée, versprechen Sie mir das?« Ich sah sie verwirrt an. »Unter uns – es gibt vornehmere Dynastien als die Familie Bernadotte, Désirée! Aber die Schweden haben sich ja Jean-Baptiste ausgesucht, und Jean-Baptiste wird sie nicht enttäuschen. Der kann nämlich regieren, das hat mein Bonaparte schon immer behauptet. Aber Sie, mein Kleines, Sie können weder regieren noch sonst irgendetwas. Erweisen Sie wenigstens den Schweden den Gefallen und schauen Sie hübsch aus! Goldschminke und Zyklamenrouge und –«
»Aber meine Stupsnase?«
»Die können wir nicht verändern. Aber sie steht Ihnen gut, Sie sehen so jung aus. Sie werden immer jünger aussehen, als Sie sind. So – und jetzt gehen wir in den Salon hinunter und lassen uns von Theresa die Karten aufschlagen. Sie soll einen großen Stern für Bonaparte legen. Schade, dass es regnet, ich hätte Ihrem schwedischen Grafen gern den Garten gezeigt. Die gelben Rosen blühen noch immer.Aber jetzt ertrinken sie natürlich im Regen …« Mitten auf der Treppe blieb Josephine stehen. »Désirée, warum sind Sie eigentlich nicht in Stockholm?« Ich sah sie nicht an. »In Stockholm gibt es eine Königin und eine Königinwitwe. Genügt das nicht?« »Fürchten Sie sich denn vor Ihren Vorgängerinnen?« Tränen stiegen auf. Ich würgte sie hinunter. »Unsinn, Vorgängerinnen sind nicht gefährlich, nur – Nachfolgerinnen«, murmelte Josephine und seufzte dann ganz erleichtert auf. »Wissen Sie, ich hatte schon Angst, dass Sie seinetwegen hier sind. Weil Sie ihn noch immer lieben – den Bonaparte nämlich!« Im gelbweißen Salon zupften die Hofdamen Josephines endlos lange Gazebinden zurecht. Auf dem köstlichen Teppich dicht vor dem Kamin kauerte Polette und wickelte die Gazebinden in winzige Röllchen. Königin Hortense lag auf einem Sofa und las Briefe. Eine schrecklich dicke Dame verkroch sich in einen orientalischen Schal und sah wie eine bunte Kugel aus. Die bunte Kugel legte eine Patience. Mein junger Graf von Rosen stand am Fenster und betrachtete verzweifelt den Regen. Bei unserem Eintritt erhoben sich die Damen. Nur die schöne Polette rutschte vom linken Bein aufs rechte. Die bunte Kugel versank vor mir in einem Hofknicks. »Hoheit erinnern sich vielleicht noch an die Prinzessin Chimay?«, sagte Josephine. Désirée nennt sie mich nur, wenn wir allein sind. Prinzessin Chimay? Der Name eines unbeschreiblich alten, vornehmen Adelsgeschlechtes. Ich war überzeugt davon, niemals ein Mitglied dieser schrecklich feinen Familie getroffen zu haben. »Notre Dame de Thermidor«, lachte Josephine. »Meine Freundin Theresa!« Josephines Freundin Theresa … Die Marquise von Fontenay, die während der Revolution den ehemaligen Kammerdiener Tallien geheiratet hat, um ihren Kopf zu retten. Tallien war Abgeordneter, und die schöne Theresa wurde die erste Dame des Direktoriums. Angeblichhat sie ihren Gästen splitterfasernackt vorgetanzt. Übrigens hat sie damals Napoleon neue Hosen verschafft, seine alten waren ganz durchgewetzt. Ich bin in ihr Haus eingedrungen, um meinen Bräutigam zu suchen. Aber ich habe ihn dort verloren und Jean-Baptiste gefunden … Sie hatte einen noch schlechteren Ruf als Josephine, der sie gerade damals den Direktor Barras als Liebhaber ausspannte. Napoleon hat ihr verboten, bei Hof zu erscheinen, er ist schrecklich moralisch, seitdem er Kaiser ist. Die arme Theresa hat sich so darüber gekränkt, sie ist doch Josephines Busenfreundin … Zuletzt beschloß sie, Napoleon zu ärgern, und heiratete den Prinzen Chimay. Dabei hatte sie sieben Kinder und war eine Kugel. Aber ihre schwarzen Augen lachten unwiderstehlich. Napoleon hätte den vornehmen Prinzen nur zu gern in den Tuilerien gesehen. Ältester französischer Adel, nicht wahr? Aber der Prinz erschien nicht, denn Napoleon erklärte Theresa noch immer nicht für hoffähig. Splitterfasernackt getanzt, Napoleon
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