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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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nicht –«
    »Sie wussten nicht, dass der Erbprinz sehr musikalisch ist? Und trotzdem sprechen Sie davon, dass Schweden wieder zur Großmacht wird?«
    »Ich habe an das Reich gedacht, das Seine Königliche Hoheit, der Kronprinz, seinem Sohn dereinst hinterlassen wird.« Seine Worte überstürzten sich. »Schweden hat einen der größten Feldherren aller Zeiten zum Thronfolger gewählt. Die Dynastie Bernadotte wird Schwedens alte Großmachtstellung wiederherstellen.«
    »Sie sprechen wie ein Lesebuch für Schulkinder, Graf«, sagte ich angewidert. »Die Dynastie Bernadotte … Ihr Kronprinz wird in diesem Völkerschlachten einfach für die Menschenrechte, die wir Freiheit und Gleichheit und Brüderlichkeit nennen, kämpfen. Dafür hat er schon mit fünfzehn Jahren gekämpft, Graf von Rosen. Deshalb hat man ihn an den alten Höfen heimlich den Jakobinergeneral genannt. Und nachher – wenn alles vorüber ist und Jean-Baptiste diesen fürchterlichen Krieg für ganz Europa gewonnen haben wird – nachher wird man ihn wieder so nennen. Dann –« Ich brach ab, weil mich von Rosen verständnislos ansah. »Ein Musiker, der nichts von Politik versteht, hat einmal von einer Hoffnung gesprochen, die nicht in Erfüllung gegangen ist«, sagte ich schließlich leise. »Vielleicht geht sie doch noch in Erfüllung, zumindest in Schweden. Und Ihr kleines Land wird wirklich wieder zur Großmacht, Graf. Aber anders, als Sie sich das vorstellen. Eine Großmacht, deren Könige keine Kriege mehr führen, sondern Zeit haben, um zu dichten, zu musizieren … Freuen Sie sich nicht, dass Oscar komponiert?«
    »Hoheit sind die seltsamste Frau, die mir je begegnet ist!«
    »Das kommt Ihnen nur so vor, weil ich die erste Bürgerliche bin, die Sie näher kennen gelernt haben.« Ich war plötzlich sehr müde. »Sie haben doch immer nur bei Hof und in Adelsschlössern verkehrt. Jetzt sind Sie Adjutant einer Seidenhändlerstochter. Versuchen Sie, sich daran zu gewöhnen, ja?«

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    Paris, Februar 1813.
    D er Brief wurde gegen sieben Uhr abends für mich abgegegen. Ich ließ sofort anspannen und bat Graf von Rosen, mich zu begleiten. »Zum Hôtel Dieu!« Mein schwedischer Kutscher kennt sich leider noch immer nicht in Paris aus. »Das Hôtel Dieu ist ein Spital.« Und, weil er mich verständnislos anstarrte: »Fahren Sie zu Notre-Dame, es liegt gegenüber.« Das nasse Straßenpflaster schimmerte in den Farben vieler Lichter. »Ich habe soeben ein paar Zeilen von Oberst Villatte bekommen, es ist ihm gelungen, Maries Sohn in einem Verwundetentransport unterzubringen, der ins große Hôtel Dieu gebracht wurde. Das Spital soll furchtbar überfüllt sein. Ich möchte Pierre mit nach Hause nehmen.«
    »Und Oberst Villatte?«, fragte von Rosen. »Konnte nicht nach Paris kommen, sondern ist ins Rheinland kommandiert worden. Dort versucht man, die Reste seines Regiments zu sammeln.«
    »Ich bin froh, dass er gesund ist«, murmelte von Rosen höflich.
    »Er ist nicht gesund, er leidet an den Folgen eines Schulterschusses. Aber er hofft, uns wieder zu sehen.«
    »Wann?«
    »Irgendwann. Wenn alles vorüber ist.«
    »Ein seltsamer Name – Hôtel Dieu!«
    »Hotel zum lieben Gott. Ein schöner Name für ein Spital. Früher hat man die Verwundeten immer in Lazaretten außerhalb der Stadt untergebracht. Aber diesmal sind so wenige bis Paris durchgekommen, dass man keine Lazarette brauchte. Man hat sie einfach dem Gemeindespital übergeben.«
    »Aber es muss doch Tausende und Abertausende Verwundete geben, wo sind die denn?«
    »Warum quälen Sie mich so, Sie haben es ja hundertmal gehört, von den Wölfen sind sie überfallen worden, im Schnee liegen sie begraben …«, schluchzte ich auf. »Ich bitte um Verzeihung, Hoheit.« Wie ich mich schämte. Man schreit seinen Adjutanten nicht an, Adjutanten können sich doch nicht wehren. »Die Überlebenden wurden zuerst in Notlazarette nach Smolensk und nach Wilna und was weiß ich gebracht. Dann sind die Kosaken vorgerückt, niemand ahnt, was aus den Verwundeten geworden ist, es waren ja keine Wagen mehr da, um sie weiterzubringen. Ein paar tausend liegen in Deutschland. Nur ein einziger Transport ist bis Paris gebracht worden. Villatte ist es irgendwie gelungen, Pierre mitzuschicken.«
    »Was fehlt Pierre eigentlich?«
    »Villatte schreibt nicht darüber. Deshalb habe ich Marie noch nichts gesagt. So, da haben wir die Kathedrale. Links liegt das Spital, Kutscher!« Das Tor war versperrt. Von Rosen riss am

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