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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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ihr zu sprechen. Und nun fühlte sie sich der Situation nicht gewachsen. Zuletzt ging sie trotz der Hitze in die Stadt, um sich mit Etienne zu beraten. Als sie zurückkehrte, hatte sie Kopfweh, legte sich auf ihr Sofa und erklärte, man möge sie sofort rufen, wenn Bürger Joseph Buonaparte gekommen sei. Julie dagegen benahm sich wie eine Verrückte. Sie lief im Wohnzimmer auf und ab und stöhnte. Sie war auch ganz grün im Gesicht, und ich wusste, dass ihr schlecht war. Julie wird nämlich immer schlecht vom Magen, wenn sie sehr aufgeregt ist. Schließlich nahm ich die ruhelose Seele mit mir in den Garten und setzte mich mit ihr ins Gartenhäuschen. Die Bienen summten um die Rosenranken, und ich fühlte mich schläfrig und sehr zufrieden. Das Leben ist so einfach, dachte ich, wenn man einen Mann wirklich lieb hat. Dann gehört man doch nur zu ihm. Wenn man mir verbieten würde, Napoleone zu heiraten, würde ich eben mit ihm davonlaufen. Um fünf Uhrnachmittags erschien ein riesiger Blumenstrauß, hinter dem sich Joseph verbarg. Der Blumenstrauß und Joseph wurden von Marie ins Wohnzimmer geführt, dann wurde Mama verständigt, und die Tür des Wohnzimmers schloss sich hinter den beiden. Ich presste mich ans Schlüsselloch, um herauszufinden, was Joseph und Mama eigentlich murmelten. Aber ich konnte kein Wort verstehen.
    »Hundertfünfzigtausend Francs in Gold«, sagte ich zu Julie, die sich neben mir an der Tür herumdrückte. Sie fuhr zusammen: »Was? Was meinst du?«
    »Hundertfünfzigtausend Francs in Gold hat Papa für deine Mitgift hinterlassen und hundertfünfzigtausend für meine. Erinnerst du dich nicht, dass der Advokat das vorgelesen hat, als Papas Testament geöffnet wurde?«
    »Das ist doch jetzt ganz egal«, wehrte Julie irritiert ab, zog ein Taschentuch hervor und wischte sich über die Stirn. Herrgott, wie komisch ist doch eine werdende Braut!
    »Nun, darf man schon gratulieren?«, lachte jemand hinter uns. Napoleone! Soeben gekommen, drückte er sich jetzt mit uns an die Tür. »Darf ich mich als zukünftiger Schwager an der unerträglichen Spannung des Wartens beteiligen?« Julies Geduld riss. »Macht, was ihr wollt, aber lasst mich in Ruhe!«, schluchzte sie. Worauf Napoleone und ich auf Zehenspitzen zum Sofa schlichen und uns stumm niedersetzten. Ich kämpfte gegen einen Lachkrampf an, die ganze Situation war so irrsinnig komisch. Napoleone stieß mich leicht in die Seite. »Etwas mehr Würde, wenn ich bitten darf, Eugénie!«, flüsterte er und machte ein gespielt böses Gesicht. Plötzlich stand Mama in der Tür und sagte mit zitternder Stimme: »Julie – bitte komm herein!« Julie stürzte wie eine Besessene ins Wohnzimmer, die Tür schloss sich hinter ihr und Mama, und ich – ja, ich warf beide Arme um Napoleones Hals und lachteund lachte. »Hör auf, mich zu küssen«, stieß ich dann hervor, weil Napoleone die Situation sofort ausnutzte. Aber ich ließ ihn trotzdem nicht los. Bis mir die Galauniform einfiel. Ich rückte etwas von ihm ab und betrachtete ihn vorwurfsvoll. Dieselbe fadenscheinige Uniform mit dem spiegelnden Rücken wie immer. »Sie hätten sich heute schon Ihre Galauniform anziehen können, verehrter General«, bemerkte ich. Aber sofort bereute ich meine Worte. Sein braun gebranntes Gesicht wurde ganz rot. »Ich habe keine, Eugénie«, gestand er. »Ich habe bisher niemals genug Geld gehabt, um mir eine zu kaufen, und vom Staat bekommen wir nur einen Waffenrock ausgeliefert – die Felduniform, die ich trage. Die Galauniform müssen wir aus privaten Mitteln bezahlen, und Sie wissen doch –« Ich nickte eifrig. »Natürlich, Sie helfen doch Ihrer Mama und allen Geschwistern! Und eine zweite Uniform wäre auch ganz überflüssig, nicht wahr?«
    »Kinder, ich habe eine große, eine ganz große Überraschung für euch!« Mama stand vor uns und lachte und weinte zugleich. »Julie und Joseph –«, ihre Stimme schwankte. Dann nahm sie sich zusammen. »Eugénie, rufe sofort Suzanne! Und sieh nach, ob Etienne schon nach Hause gekommen ist. Er hat mir versprochen, pünktlich um halb sechs hier zu sein.« Ich stürmte die Treppen hinauf und verständigte die beiden. Und dann tranken wir alle Champagner. Im Garten dämmerte es, aber Joseph und Julie dachten gar nicht mehr an das Gartenhäuschen, sondern sprachen nur von dem Heim, das sie sich in einem der Vororte einrichten wollten. Ein Teil von Julies Mitgift sollte dazu dienen, eine hübsche Villa zu kaufen. Napoleone verabschiedete

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