Désirée
Schlaf- und Ankleidezimmers habe ich keinen einzigen Raum frei.«
»Überfüllt?«
»Herrgott, Julie und ihre Kinder und die Söhne von Hortense und –« Jetzt sprang er auf. »Willst du behaupten, dass du sämtlichen Bonapartes Unterkunft gewährst und sie auf Rechnung des schwedischen Hofes verköstigst?«
»Nein, ich habe nur Julie und verschiedenen Kindern – Kindern, Jean-Baptiste! – mein Haus geöffnet. Außerdem noch einigen Clarys. Die beiden Adjutanten dagegen hast du mir selbst hergeschickt. Die Kosten des ganzen Haushaltes sowie die Gagen meiner Herren Adjutanten und des schwedischen Personals bezahle ich selbst.«
»Was heißt das – selbst?«
»Ich verkaufe Seidenwaren. In einem Geschäft, weißt du …«
Schnell ging ich in mein Boudoir und schlüpfte in den schönen, grünen Samtschlafrock mit dem Nerzkragen. »Waren der Firma Clary nämlich … Und jetzt werde ich dir und deinen Herren eine Omelette machen!« Da geschah das Wunder. Er lachte. Saß auf meinem Bett und schüttelte sich vor Lachen und breitete die Arme aus. »Mein kleines Mädchen – mein unbezahlbares kleines Mädchen! Die Kronprinzessin von Schweden und Norwegen verkauft Seidenstoffe – komm, komm zu mir!« Ich trat neben ihn. »Ich verstehe nicht, was es da zu lachen gibt«, sagte ich beleidigt. »Ich hatte eben kein Geld mehr.Übrigens ist alles schrecklich teuer geworden, du wirst schon sehen!«
»Vor vierzehn Tagen habe ich einen Kurier mit Geld zu dir geschickt.«
»Der ist leider nicht angekommen. Du, wenn deine Herren gegessen haben, müssen wir Hotelzimmer für sie finden.«
Er wurde sofort wieder ernst. »Das schwedische Hauptquartier wird in einem Palais in der Rue St. Honoré liegen, das Haus ist längst requiriert worden, mein Stab kann wahrscheinlich sofort dort absteigen.« Dann öffnete er die Tür, die von meinem Schlafzimmer in seines führt. Ich hielt die Kerze hoch. »Dein Bett ist gemacht, die Bettdecke sogar zurückgeschlagen, alles erwartet dich!« Aber er starrte sein Schlafzimmer an, sein vertrautes Schlafzimmer mit den vertrauten Möbeln, als ob er es noch nie gesehen hätte. »Ich werde auch im schwedischen Hauptquartier wohnen.« Wieder die tonlose Stimme: »Ich werde viele Leute empfangen müssen. Und das geht hier nicht, das – das kann ich hier nicht. Désirée! Verstehst du mich nicht?«
»Du willst nicht mehr hier wohnen?« Ich war fassungslos. Er legte den Arm um meine Schultern. »Ich bin doch nur nach Paris gekommen, um die schwedischen Truppen an der Siegesparade teilnehmen zu lassen. Außerdem muss ich mit dem Zaren sprechen. Aber eines sage ich dir, Désirée – in dieses Zimmer kehre ich nicht zurück, nie wieder!«
»Herrgott, vor fünf Minuten wolltest du noch mit deinem ganzen Stab hier wohnen!«, protestierte ich wütend.
»Das war, bevor ich mein Zimmer wieder gesehen habe. Verzeih meinen Irrtum. Aber es gibt keine Rückkehr von dort, woher ich komme.« Er presste mich an sich. »So – und jetzt gehen wir hinunter, meine Herren hoffen, dass du sie begrüßen wirst. Und Fernand hat bestimmt eine Mahlzeit vorbereitet!« Fernand … Der Gedanke an ihnund die Rosen in meinem Brautbett half mir in die Wirklichkeit zurück. Ich legte Rouge und Puder auf. Jean-Baptiste und ich traten Arm in Arm ins Esszimmer. Meinem jungen Ritter von einst, dem jungen Grafen von Brahe, hätte ich gern einen Kuss gegeben. Aber Löwenhjelm, der sich seinerzeit so bemüht hat, mir schwedische Etikette beizubringen, stand neben ihm. Da traute ich mich nicht … Admiral von Stedingk mit den vielen Orden kam auf mich zu. Und Fernand in einer nagelneuen Livree mit schwedischen Goldknöpfen. »Wie geht es Oscar?«, wollte ich wissen. Seit Monaten lebt mein Kind allein unter Fremden in Stockholm. Jean-Baptiste zog aus seiner Brusttasche ein paar Briefe hervor. »Der Erbprinz hat einen Regimentsmarsch komponiert«, verkündete er stolz. Mein Herz schlug einen Augenblick ganz leicht, die Kerzen strahlten so hell: Oscar komponiert. Fernands Kaffee schmeckte bitter und süß zugleich. Wie diese Heimkehr, dachte ich. Wir saßen vor dem Kamin im großen Salon. Das andere Ende des Raumes lag im Dunkel. Aber Jean-Baptiste spähte in jenes Dunkel, in dem das Porträt des Ersten Konsuls hing. Schließlich verstummten unsere Gespräche. Es wurde peinlich still. Plötzlich wandte sich Jean-Baptiste an mich. Seine Stimme klang schneidend: »Und – er?«
»Der Kaiser wartet in Fontainebleau, was über sein
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