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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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gute Nacht – oder vielmehr einen guten Morgen, meine Herren, Sie werden vor der Siegesparade noch einige Stunden ruhen wollen. Ich hoffe, dass inzwischen alles in der Rue St. Honoré vorbereitet worden ist.« Dann verließ ich sehr schnell den Salon. Alles hat seine Grenzen, ich wollte nicht zuschauen, wie Jean-Baptiste sein eigenes Heim verließ, um in irgendeinem Palais um die Ecke zu übernachten. Auf der Stiege holte er mich ein. Legte wortlos den Arm um meine Schultern und stützte sich schwer auf mich. So gelangten wir in mein Schlafzimmer. Dort ließ er sich sofort auf mein Bett fallen. Ich kniete vor ihm nieder und versuchte, ihm die Stiefel auszuziehen. Ich zerrte und zerrte.
    »Du musst mithelfen, Jean-Baptiste, sonst kriege ich sie nicht herunter. »
    »Wenn du wüsstest, wie müde ich bin …« Wie ein Kind ließ er sich ausziehen. Schließlich war es so weit – ich zog die Decke über uns beide und blies die Kerze aus. Aber der Morgen kroch bereits unerbittlich durch die Spalten der Fensterläden. »Diese verdammte Siegesparade …«, murmelte er. Dann: »Du, ich kann doch nicht mit Tschinderata-Bumdada an der Spitze der Nordarmee über die Champs-Élysées ziehen – ich kann nicht!«
    »Natürlich kannst du. Die Schweden haben sich für Europas Freiheit brav geschlagen, jetzt wollen sie unter Führung ihres Kronprinzen im Parademarsch in Paris einziehen. Wie lange wird es schon dauern? Eine Stunde, höchstens zwei. Es wird viel leichter sein als – Leipzig, Jean-Baptiste.« Ein Stöhnen. »Bei Großbeeren hat er mir meine ältesten Regimenter entgegengeschickt –«
    »Vergiss es, Jean-Baptiste, vergiss es.« Ich hasste michund sprach trotzdem weiter. »Denk daran, wofür du dich geschlagen hast!«
    »Wofür? Für die Rückkehr der Bourbonen vielleicht? Désirée, was hast du dem Zaren eigentlich gesagt?«
    »Dass du in Frankreich Republikaner und in Schweden Kronprinz bist. In etwas anderen Worten, Jean-Baptiste. Aber er hat mich schon verstanden.«
    Er schwieg und atmete ruhiger. »Hast du ihm noch etwas gesagt, kleines Mädchen?«
    »Ja … Dass du zwar die französische Krone nicht haben willst, aber dafür von Herzen gern eine Großfürstin heiraten möchtest. Damit er nicht glaubt, dass du alle Angebote ausschlägst!«
    »Mhm –«
    »Schläfst du, Jean-Baptiste?«
    »Mhm –«
    »Der Zar meint, du solltest lieber bei mir bleiben. Die Großfürstinnen, die er auf Lager hat, sind gar nicht hübsch.«
    »Mhm –« Zuletzt schlief er doch noch ein. Schlief kurz und unruhig wie ein Reisender im fremden Bett eines zufälligen Gasthofes … Marie und Fernand stritten in meinem Boudoir. Und zwar um das große Bügeleisen. Jean-Baptiste bewegte den Kopf auf meiner Schulter. »Brahe, was geht vor meinem Zelt vor?«
    »Schlaf weiter, Jean-Baptiste!«
    »Brahe, sagen Sie Löwenhjelm –«
    »Jean-Baptiste, erstens bist du nicht in einem Zelt, sondern im Schlafzimmer deiner Frau. Zweitens hörst du nichts anderes als den ewigen Streit zwischen Marie und Fernand. Schlaf weiter!« Aber Jean-Baptiste setzte sich auf. Nachdenklich sah er sich in meinem Zimmer um. Abschied im Blick, nicht Heimkehr. Fernands Stimme überschlug sich: »Nein, Ihr großes Bügeleisen für dieParade-Uniform!« Da stand Jean-Baptiste auf und ging in sein Ankleidezimmer. Ich läutete, und Marie brachte Frühstück für zwei. »Den Fernand hätte der Marschall auch zu Hause lassen können«, brummte sie.
    »Was nennst du zu Hause?«
    »Bei den Eiszapfen natürlich. In Stockholm.« Die Tür zwischen meinem Boudoir und Jean-Baptistes Ankleidezimmer war nur angelehnt. Ich hörte folgende Unterhaltung. Fernand: »Brahe und Löwenhjelm melden sich zum Dienst. Die Zimmer Eurer Hoheit in der Rue St. Honoré sind in Ordnung. Der Zar ist gestern ins Élysée-Palais übergesiedelt. Russisches Hauptquartier. Früher hat Madame Julie dort gewohnt. Die Parade beginnt um zwei Uhr. Vor dem Hauptquartier Eurer Hoheit hat man Kanonen aufgestellt. Aus Sicherheitsgründen. Man will die Rue St. Honoré ganz absperren. Demonstrationen, Hoheit, Pöbel –« Jean-Baptiste sagte etwas, ich konnte es nicht verstehen. »Also gut – kein Pöbel. Wenn Hoheit befehlen – Passanten. Jedenfalls behauptet die Polizei, dass diese Passanten die Absicht haben, Hoheit zu –« Der Rest ging in Plätschern unter. Fernand rieb Jean-Baptiste wie jeden Morgen mit kaltem Wasser ab. »Schick jetzt Brahe und Löwenhjelm herauf !« Brahes Stimme: »Wetterstedt ist

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