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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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Und warum? Weil ich seinerzeit Joseph ins Haus gebracht habe. Ich muss versuchen, ihr zu helfen, dachte ich. Ich werde alles daransetzen, um sie hier zu halten. »Sie werden Seine Hoheit bitten, sich für Madame Julie Bonaparte zu verwenden, nicht wahr? Sie werden vielleicht selbst zu Seiner Majestät König Louis gehen und sich für Ihre Schwester einsetzen?« – »König Louis …«, wiederholte ich und versuchte, mich zumindest an den Namen zu gewöhnen. »Seine Majestät wird bereits in den nächsten Tagen in den Tuilerien erwartet.«
    »Was hat dieser König Louis in den vielen Jahren seiner Emigration eigentlich gemacht? Womit hat er sich beschäftigt?«, erkundigte ich mich. Ich wollte mir ein Bild über die Zukunft der Bonaparte-Brüder machen. »Seine Majestät hat sich hauptsächlich in England aufgehalten und seine Zeit mit Studien verbracht. Der König hat ein großes Werk, die ›Geschichte des Aufstieges und Verfalls des Römischen Kaiserreiches‹ von Gibbons, ins Französischeübersetzt.« Also Weltgeschichte übersetzt und nicht gemacht, konstatierte ich. »Bringt dieser König Louis auch einen eigenen Hofstaat mit?« »Selbstverständlich. Die wirklich treuen Anhänger des Hauses Bourbon kehren erst mit ihm nach Frankreich zurück. Deshalb möchte ich Hoheit bitten –« Ich sah ihn erstaunt an. Das bemerkte er gar nicht. »– bitten, sich auch für mich zu verwenden. Vielleicht wird Seine Majestät nicht alle Posten nur mit Franzosen, die seit der Revolution im Ausland gelebt haben, besetzen. Wenn man mich erwähnen könnte –«
    »Man hat Sie sicherlich nicht vergessen, Monsieur Fouché. Ich war zwar damals noch ein Kind, aber ich erinnere mich deutlich an die vielen tausend Todesurteile, die Sie unterschrieben haben.«
    »Hoheit, das ist vergessen!« Er rückte die weiße Kokarde zurecht. »Man müsste in Erinnerung bringen, dass ich in den letzten Jahren heimlich versucht habe, Frieden mit England zu schließen. General Bonaparte hat mich Verräter geschimpft, ich habe mein Leben riskiert, Hoheit.« Ich sah wieder auf das Aktenstück in meiner Hand. »Und – der General Bonaparte?«
    »Sehr günstige Bedingungen. Der General darf sich selbst ein Domizil außerhalb Frankreichs aussuchen – irgendeine Insel, zum Beispiel Elba – oder die Fahrt nach Übersee antreten. Eine Truppe von vierhundert Mann, die der General selbst auswählen darf, kann ihn begleiten. Außerdem behält der General den Titel eines Kaisers. Gnädig, überaus gnädig, nicht wahr?«
    »Wofür hat sich der Kaiser entschieden?«
    »Man spricht von Elba. Eine reizende kleine Insel, die an die Geburtsstätte des Generals erinnern soll. Dieselbe Vegetation wie Korsika, höre ich.«
    »Und die Kaiserin?«
    »Wird zur Herzogin von Parma ernannt werden.Vorausgesetzt, dass sie darauf verzichtet, ihren Sohn als Erben anzuerkennen. Aber diese Einzelheiten werden in Wien auf einem großen Kongress festgelegt werden. Aufbau des neuen Europa. Rückkehr der von Bonaparte vertriebenen Dynastien, Bekenntnis zur Legitimität, Hoheit … Ich nehme an, dass Seine Hoheit auch nach Wien reisen werden. Um seine Ansprüche auf den schwedischen Thron geltend zu machen.« Er räusperte sich leise. »Ich höre, dass man leider von österreichischer und preußischer Seite behauptet, Seine Hoheit hätten keine – mhm, ja – keine legitimen Ansprüche. Ich stehe natürlich jederzeit Seiner Hoheit zu Diensten, um in Wien die Stimmung zu sondieren und –« Da stand ich auf. »Ich verstehe nicht, was Sie meinen. Das Aktenstück werde ich meiner Schwester geben.« Wenn er noch eine Minute länger geblieben wäre, hätte ich um Hilfe geschrien. Dann entdeckte ich die ersten Gänseblümchen im Gras. Und die Knospen an den Rosenbäumchen. Es ist Frühling geworden, und ich habe es gar nicht bemerkt. Wie süß die Pariser Frühlingsluft schmeckt! Sie können Julie nicht einfach davonjagen … Kinderstimmen zerrissen die Stille. Sie kamen von der Parade zurück und liefen auf mich zu – zwei magere hoch aufgeschossene Mädchen in rosa Jäckchen und zwei blonde Buben in Kadettenuniform. »Tante Désirée – der Onkel hat prachtvoll ausgesehen!« Charlotte war ganz atemlos vor Aufregung. »Auf einem Schimmel ist er geritten und einen violetten Samtmantel hat er getragen – so elegant –« »Es war doch kein Mantel, sondern ein Umhang«, unterbrach sie ihr Vetter Louis Napoleon ernsthaft. – »Auf dem Hut hat er weiße Straußfedern getragen und in der

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