Désirée
werden. Das ist mir seit der Zeit, in der ich Oscar erwartete, nicht mehr passiert … Wie aus weiter Ferne drang Fouchés Stimme zu mir. »Der Kaiser hat sich vor elf Tagen mit seinen Truppen in Elba eingeschifft und ist am 1. März in Cannes gelandet.« Und Marius: »Das ist phantastisch, er hat doch nur vierhundert Mann bei sich!« Fouchés Antwort: »– sind zu ihm übergegangen, küssen seinen Mantel und marschieren mit ihm im Triumph nach Paris.« »Und das Ausland, Herr Herzog?« Hartes Französisch, Graf von Rosen meldete sich: »Das Ausland wird –« »Désirée, du bist ja ganz blass – ist dir nicht gut?« Das war Julie. Und Fouché: »Schnell ein Glas Wasser für Ihre Hoheit –!« Sie hielten mir ein Glas an die Lippen. Ich trank. Der Salon hörte auf, sich zu drehen. Ich sah sogar alle Umrissebesonders scharf. Das Gesicht meines Neffen Marius glühte. »Die ganze Armee hat er hinter sich. Man kann nicht die Gagen von Frankreichs Offizieren, die diese Nation groß gemacht haben, um die Hälfte kürzen. Wir marschieren – wir marschieren wieder!« »Gegen ganz Europa?«, fragte Marceline spitz. (Ihr Mann ist nicht zurückgekehrt. Er ist in den Schlachten um Paris gefallen. Allerdings in die Arme eines jungen Mädchens, das ihn versteckte … ) Mein Blick fiel auf einen Lakai, der mir etwas sagen wollte und fortwährend überschrien wurde. Ich gab ihm eine Chance. Ein neuer Besuch – die Marschallin Ney. Die Marschallin Ney hat die imponierenden Maße eines Grenadiers und überfällt einen wie eine Naturkatastrophe. Keuchend stürmte sie herein, presste mich an ihren mächtigen Busen und fuhr mich an: »Nun – was sagen Sie dazu, Madame? Aber er wird es ihm zeigen! Mit der Faust hat er auf den Tisch geschlagen und geschrien, dass er es ihm zeigen wird!«
»Setzen Sie sich doch, Madame la Maréchale«, bat ich. »Und sagen Sie mir, wer wird wem etwas zeigen?«
»Mein Mann dem Kaiser!«, donnerte die Marschallin und fiel auf den nächsten Stuhl. »Er hat soeben den Befehl erhalten, sich mit seinen Regimentern in Besançon dem Kaiser entgegenzustellen. Und ihn gefangen zu nehmen! Wissen Sie, was mein alter Ney geantwortet hat? Einfangen wird er ihn wie einen wütenden Stier und in einen Käfig sperren und im ganzen Land ausstellen!«
»Verzeihen Sie, Madame, ich verstehe nicht ganz – warum ärgert sich eigentlich der Marschall Ney so sehr über seinen ehemaligen obersten Kriegsherrn und Kaiser?«, säuselte Fouché. Die Marschallin bemerkte erst jetzt seine Anwesenheit und wurde merkwürdig verlegen. »So – Sie sind auch hier«, murmelte sie. »Wieso eigentlich? Sie sind doch bei Hof in Ungnade? Sie sind doch auf IhrenGütern?« Fouché lächelte und zuckte die Achseln. Da wurde sie unsicher. Sehr unsicher sogar. »Sie glauben doch nicht, dass es der Kaiser noch einmal schafft?«, flüsterte sie mit ersterbender Stimme. »Ja«, sagte Marius laut und entschieden. »Ja, Madame, er schafft es!« Julie erhob sich. »Ich muss das alles meinem Mann schreiben, es wird ihn sehr interessieren.« Fouché schüttelte den Kopf. Bemühen Sie sich nicht, die königliche Geheimpolizei würde Ihren Brief sofort abfangen. Und ich bin sicher, Madame, dass der Kaiser längst mit dem Herrn Gemahl in Verbindung steht. Es ist anzunehmen, dass Seine Majestät schon von Elba aus alle Brüder über seinen Plan informiert hat.«
»Sie glauben doch nicht, dass es sich um einen vorbereiteten Plan handelt, Herzog?«, schnaufte die Marschallin. »Das müsste mein Mann doch wissen!«
»Dass die Armee unzufrieden ist, weil sowohl Offiziere als Mannschaften auf Halbsold gesetzt und die Pensionen der Veteranen und Invaliden gekürzt worden sind, kann der Aufmerksamkeit des Marschalls Ney kaum entgangen sein!«, donnerte mein Neffe Marius. »Auch nicht der des Kaisers auf Elba«, fügte Fouché freundlich hinzu. Dann verabschiedete er sich. Eine lange Pause entstand. Mit einem Ruck wandte sich die Marschallin Ney zu mir, ihr Sessel krachte, die tiefe Stimme grollte. »Madame, Sie als Frau eines Marschalls werden mir doch Recht geben, es ist –« »Sie irren sich, ich bin nicht mehr die Frau eines Marschalls. Sondern die Kronprinzessin von Schweden und Norwegen. Ich bitte mich zu entschuldigen, ich habe Kopfschmerzen.« Ich hatte Kopfschmerzen wie nie zuvor. Dröhnende, hämmernde … Ich legte mich auf mein Bett und war für niemanden zu sprechen. Nicht einmal für mich selbst. Nein, schon gar nicht für mich selbst … Man
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