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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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Kopf. Man wird dadurch mit Napoleon verwandt, erweist ihm sogar einen Dienst und heiratet außerdem noch eine ganz nette Mitgift. Ich beantwortete Marmonts zarte Andeutungen mit einem ebenso zarten Nein. Dann ging ich zu Joseph und beschwerte mich. Ob er nicht Napoleon schreiben könnte, er solle mich mit Heiratsanträgen seiner Stabsoffiziere verschonen! »Können Sie nicht verstehen, dass es Napoleon als Auszeichnung betrachtet, einem seiner Generäle die Hand seiner Schwägerin vorzuschlagen?«
    »Ich bin kein Orden, den man einem verdientenOffizier verleihen kann«, sagte ich. »Und wenn ich keine Ruhe habe, reise ich zu Mama zurück.«
    Heute Morgen saß ich trotz des kühlen Wetters mit Julie in unsrem Säulenhof. In der Mitte des hiesigen Springbrunnens sitzt eine dicke Bronzedame und hält einen Delphin in den Armen, der ununterbrochen Wasser ausspuckt. Wir studieren zum soundsovielten Male die Namen der italienischen Fürstenfamilien, die morgen Abend die Botschaft besuchen sollen. Dann trat Joseph mit einem Brief in der Hand zu uns. Seine Exzellenz sprach zuerst von diesem und jenem, wie immer, wenn ihm etwas unangenehm ist, und sagte dann plötzlich: »Napoleon hat dafür gesorgt, dass wir einen neuen Militärattaché zugeteilt erhalten. General Jean Pierre Duphot, ein sehr liebenswürdiger junger Mann –« Ich sah auf: »Duphot? Hat sich nicht einmal ein General Duphot in Genua bei Ihnen gemeldet?«
    »Natürlich!«, rief Joseph erfreut. »Und er hat Eindruck auf Sie gemacht, nicht wahr? Napoleon schreibt nämlich, dass er hofft, dass sich Eugénie – Sie müssen entschuldigen, er schreibt noch immer Eugénie anstatt Désirée – also, dass Sie sich seiner etwas annehmen werden. Es sei ein sehr einsamer junger Mann, schreibt Napoleon. Und deshalb –« Ich stand auf. »Ein neuer Heiratskandidat? Nein, danke. Ich habe geglaubt, dass damit Schluss ist.« An der Tür wandte ich mich um: »Schreibt Napoleon sofort, dass man diesen Duphot, oder wie er heißt, nicht herschicken soll.«
    »Aber er ist doch schon da! Er kam vor einer Viertelstunde und überbrachte mir Napoleons Brief.« Da knallte ich wütend die Tür zu. Es machte mir besondere Freude, denn Türenknallen klingt in Marmorpalästen wie eine Explosion. Zum Mittagessen erschien ich nicht, um Duphot zu entgehen. Aber beim Abendbrot ließ ich mich wieder blicken, da es mir zu langweilig ist, allein in meinem Zimmer zu essen. Natürlich hatte man Duphot neben michgesetzt. Joseph hält sich sklavisch an Napoleons Wünsche … Ich betrachtete den jungen Mann nur flüchtig. Mittelgroß, sehr dunkel und schrecklich viel weiße Zähne im breiten Mund, war mein Eindruck. Besonders die blitzenden Zähne irritierten mich, weil er mich immerfort anlachte. Unser Tischgespräch wurde oft unterbrochen. Wir sind zwar gewohnt, dass die Leute in Haufen vor der Botschaft herumstehen und »Evviva la Francia! Evviva la Libertà!« rufen. Übrigens mischt sich auch manchmal ein »A basso la Francia!« hinein. Für die Ideen der Republik sind die meisten Italiener begeistert, aber die schweren Zahlungen, die sie leisten müssen, um die Kosten unserer Okkupation zu begleichen, und die Tatsache, dass Napoleon alle ihre Beamten auswählt, scheint viele zu verbittern. Heute Abend klang der Lärm vor dem Portal anders als sonst und – irgendwie drohend.
    Joseph erwähnte die Ursache. Letzte Nacht wurden einige römische Bürger als Geiseln verhaftet, weil ein französischer Leutnant bei einer Wirtshausstecherei ums Leben gekommen war. Draußen stand jetzt eine Deputation des römischen Stadtrates und wollte mit Joseph sprechen. Eine große Menschenmenge hatte sich angesammelt, um die Vorgänge zu beobachten.
    »Warum empfängst du denn die Herren nicht, wir hätten mit dem Essen warten können«, sagte Julie. Aber Joseph erklärte – und die Herren der Botschaft nickten –, dass dies gar nicht in Frage käme. Er werde niemanden empfangen, da ihn die ganze Angelegenheit nichts angehe, sie sei von Anfang an Sache des Militärgouverneurs von Rom gewesen.
    Unterdessen schwoll der Lärm draußen an, zuletzt wurde ans Tor gepocht. »Meine Geduld ist zu Ende, ich lasse den Platz räumen!«, schrie Joseph im gleichen Augenblick und gab einem seiner Sekretäre ein Zeichen. »Gehen Siesofort in die Militärkommandantur hinüber und verlangen Sie, dass der Platz vor der Botschaft geräumt wird. Der Lärm ist ja nicht zum Aushalten!« Der junge Mann wandte sich zur Tür. »Nehmen

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