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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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kenne. Außerdem hat mir Joseph feierlich seinen Roman überreicht, er hat nämlich ein Buch verbrochen und fühlt sich jetzt als gottbegnadeter Dichter. Es heißt »Moïna« oder »Das Bauernmädchen von Saint-Denise« und ist eine so langweilige und sentimentale Geschichte, dass ich jedes Mal einschlafe, wenn ich darin lese. Und dann kommt Julie und fragt: »Ist es nicht wundervoll?« Übrigens weiß ich genau, dass die vielen Besuche weder mir noch meinem gelben Sohn Oscargelten, sondern nur der Gattin des Kriegsministers Bernadotte. Diese Dame mit dem Mopsgesicht, die übrigens mit dem schwedischen Gesandten verheiratet ist, aber nicht mit ihm zusammen wohnt, weil sie immerfort dichtet und zum Dichten Anregung braucht und diese Anregung nur bei wildlockigen, wild blickenden Dichterjünglingen, in die sie verliebt ist, findet – also, diese Madame de Staël hat mir gesagt, dass Frankreich endlich jene Persönlichkeit gefunden hat, die Ordnung schaffen kann, und dass alle Leute meinen Jean-Baptiste als eigentlichen Regierungschef betrachten. Ich habe auch den Aufruf gelesen, den Jean-Baptiste am Tag seiner Ernennung zum Minister an alle Soldaten erlassen hat. Der ist so schön, dass ich Tränen in die Augen bekam. Jean-Baptiste hat ihn an »die Soldaten des Vaterlandes« gerichtet und schreibt darin: »Ich habe eure schreckliche Not gesehen. Ich brauche euch nicht zu fragen, ob ihr wisst, dass ich dieselbe geteilt habe. Ich schwöre, dass ich mir keinen Augenblick Ruhe gönnen werde, bis ich euch Brot, Kleidung, Waffen verschafft habe. Und ihr, Kameraden, ihr müsst schwören, dass ihr nochmals diese fürchterliche Koalition brechen werdet. Wir halten die Eide, die wir leisten.«
    Wenn Jean-Baptiste um acht Uhr abends aus dem Kriegsministerium nach Hause kommt, lässt er sich eine kleine Mahlzeit an meinem Bett servieren, und dann geht er in sein Arbeitskabinett hinunter und diktiert dort einem Sekretär die halbe Nacht lang. Um sechs Uhr früh reitet er bereits in die Rue de Varenne, wo momentan das Kriegsministerium untergebracht ist. Und Fernand sagt, dass das Feldbett, das Jean-Baptiste unten im Arbeitskabinett aufgestellt hat, oft ganz unbenützt bleibt. Es ist schrecklich, dass gerade mein Mann ganz allein unsere Republik retten soll. Und dabei hat die Regierung nicht genug Geld, um Waffen und Uniformen für die90 000 Rekruten, die Jean-Baptiste ausbilden lässt, zu kaufen, und es kommt zu wilden Auftritten zwischen ihm und dem Direktor Sieyès.
    Wenn Jean-Baptiste wenigstens abends, wenn er zu Hause arbeiten will, Ruhe hätte! Aber ich höre immerfort Leute kommen und gehen, und Jean-Baptiste erzählte mir erst gestern, dass sich die Vertreter der verschiedenen Parteien große Mühe geben, um ihn auf ihre Seite zu ziehen. Gerade, als er ganz abgespannt und gehetzt sein Abendbrot in sich hineinschaufelte, meldete Fernand, dass Schwager Joseph mit Jean-Baptiste sprechen wolle. »Der hat mir heute noch gefehlt!«, stöhnte Jean-Baptiste. »Lass ihn heraufkommen, Fernand.« Joseph erschien. Zuerst beugte er sich über die Wiege und sagte, dass Oscar das schönste Kind sei, das er je gesehen habe. Dann wollte er, dass Jean-Baptiste mit ihm hinunter ins Arbeitskabinett gehe. »Ich möchte Sie etwas fragen, und unser Gespräch wird Désirée langweilen«, meinte er. Jean-Baptiste schüttelte den Kopf: »Ich habe so wenig Gelegenheit, Désirée zu sehen, ich möchte bei ihr bleiben. Setzen Sie sich und machen Sie es kurz, Bonaparte, ich habe noch einen langen Arbeitsabend vor mir!«
    So nahmen beide an meinem Bett Platz. Jean-Baptiste suchte meine Hand. Ruhe und Kraft gingen von seiner leichten Berührung aus, geborgen wie unter einem kleinen Dach lagen meine Finger unter den seinen. Ich schloss die Augen. »Es handelt sich um Napoleon«, hörte ich Joseph sagen. »Was würden Sie dazu sagen, wenn Napoleon den Wunsch äußern sollte, nach Frankreich zurückzukehren?«
    »Ich würde sagen, dass Napoleon nicht zurückkehren kann, solange ihn der Kriegsminister nicht vom ägyptischen Kriegsschauplatz abberuft.«
    »Schwager Bernadotte, wir beide müssen einander dochnichts vormachen – auf dem ägyptischen Kriegsschauplatz ist heute ein Oberbefehlshaber von der Bedeutung Napoleons völlig überflüssig. Seitdem die Flotte vernichtet wurde, sind unsere Operationen dort mehr oder minder zum Stillstand gekommen. Und der ägyptische Feldzug kann daher –«
    »Als Fiasko bezeichnet werden, ich habe es

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