Desperado der Liebe
das Opfer hervor. Natürlich hätte Araminta wissen müssen, daß sie sich darauf verlassen konnte, daß Judd einschreiten würde. Denn hatte er nicht bei dem Brand auf dem Chaparral unter Einsatz seines Lebens den Arbeiter gerettet, der unter einem herabgestürzten Balken begraben lag? Auf Judd war stets Verlaß, wenn es ein Problem gab, sagte sie sich.
»He, was soll denn das? Schämt ihr euch nicht, jemanden zu verhauen, der nur halb so groß ist wie ihr? Wollt ihr euch mit mir anlegen?« fuhr er die Burschen laut und in schroffem Ton an, worauf sie ängstlich vor ihm zurückwichen. »Wieso seid ihr eigentlich nicht in der Schule, wo ihr hingehört? Seht bloß zu, daß ihr abhaut, und zwar ihr alle, ehe ich die Polizei rufe, damit sie euch hinter Schloß und Riegel bringt.« Seine Worte zeigten die gewünschte Wirkung; schon im nächsten Moment waren die Rabauken auf und davon. Judd hielt weiterhin den kleinen Mexikanerjungen fest. »Und du...«, er schüttelte ihn leicht, »hör gefälligst auf zu flennen. Oder willst du, daß die Leute dich für eine Memme halten?«
Der Junge schüttelte den Kopf und hörte augenblicklich zu weinen auf. Daraufhin langte Judd in seine Tasche und holte einen glänzenden Nickel hervor. »Hier, für dich.« Er gab dem Jungen das Geldstück. »Kauf dir einen Lutscher. Ich wette, dann fühlst du dich gleich besser, es verdad!«
»Sí, señor. Gracias.« Den Nickel fest in der kleinen Faust umschlossen, rannte der Kleine davon.
»Tapfer, der Kleine«, meinte Judd, als er sich umwandte und Araminta beim Aussteigen behilflich war.
»Ja, das war er«, pflichtete sie ihm bei. »Danke, daß du eingegriffen hast, Judd.«
»War mir ein Vergnügen. Im Emst, ich mag Kinder. Ich hoffe, ich habe selber mal eine ganze Rasselbande, und dann würde ich es niemals zulassen, daß sie von solchen Strolchen verprügelt werden. Kindern wie diesen eben mangelt es an einer guten Erziehung; sie haben keine Manieren, kein richtiges Elternhaus, keine Schulbildung und all die notwendigen Dinge, die man mit Geld kaufen kann. Eine Frau sollte den Mann, den sie heiratet, schon genau unter die Lupe nehmen, um sicherzugehen, ob er auch für sie und die Kinder sorgen und ihnen das Beste ermöglichen kann, was das Leben zu bieten hat, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Ja, ich verstehe, was du damit sagen willst.«
Aramintas Miene war nachdenklich, und Judd sagte nichts weiter, weil er wußte, daß sie ihn genau verstanden hatte. In Wirklichkeit jedoch konnte er mit Kindern nichts anfangen, auch wenn er sich natürlich Söhne wünschte, als Beweis für seine Männlichkeit und damit sie seinen Namen weiterführten. Wäre er an diesem Nachmittag allein nach El Paso gekommen, hätte er der Prügelei auf dem Gehweg keine Beachtung geschenkt. Und ganz sicher hätte er nicht eingegriffen, um dem kleinen Mexikaner zu helfen. Aber Judd war gerissen, und als er gesehen hatte, wie aufgebracht Araminta war, hatte er geistesgewandt und ohne zu zögern die Gelegenheit genutzt, um sich in einem günstigen Licht darzustellen, was ihm auch gelungen war. Kein Zweifel, Araminta hatte ein Herz für Kinder. Sie würde für ihre eigenen keinen unfähigen, achtlosen Vater haben wollen. Judd hatte ihr Grund zum Nachdenken gegeben, wie er hoffte, und vielleicht würde sie nun doch endlich einwilligen, ihn zu heiraten.
Und Araminta dachte tatsächlich über das nach, was sie gesehen und gehört hatte. Bislang hatte sie sich Judd noch gar nicht als Vater vorgestellt, nun war es unmöglich, es nicht zu tun. Jetzt wußte sie, daß er ebenso dachte wie sie und alles Notwendige tun würde, um für das Wohlergehen der Kinder zu sorgen, die sie zur Welt brächte. Judd wäre in der Lage, ihr und den Kindern all die Vorzüge zu bieten, von denen er gesprochen hatte. Immer mehr, so schien es ihr, sprach für ihn ; und sie gelangte zu der Einsicht, daß ihr Großvater in der Tat eine weise Wahl für sie getroffen hatte, und daß Judd, auf seine ihm eigene Weise, sich wirklich etwas aus ihr machte, wie er immer behauptete. Gut möglich, daß es einem Mann wie ihm nur schwerfiel, zärtliche Gefühle auszudrücken.
Diese Gedanken beschäftigten sie, als sie sich aufmachte, die Weihnachtsgeschenke zu kaufen; für ihren Großvater einen kunstvoll verzierten Gehstock; für Mr. Gideon drei weiße Taschentücher aus feinstem Leinen; für Teresa eine wunderschöne rebozo und mehrere kleinere Präsente für das übrige Personal. Auch für die
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