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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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aber im Vorbeigehen keinen frischen Alkohol an dem
Mann riechen, und seit er selbst zu trinken aufgehört hatte,
war das ein Geruch, der ihm niemals entging.
Sie folgten Billingsley auf die Bühne, die ganze Gruppe, die
Johnny inzwischen (nicht völlig ohne Zuneigung) als die Collie Entragian Survival Society bezeichnete, sie stapften hallend mit den Füßen, und ihre Schatten wirkten lang und blaß
im Licht der Orchestergrabenbeleuchtung, die Billingsley im
elektrischen Sicherungskasten neben dem linken Bühneneingang eingeschaltet hatte. Oberhalb der fadenscheinigen roten
Plüschsitze verlor sich das kümmerliche Licht rasch; dort
herrschte, bis in unsichtbare Höhen hinauf, nur Dunkelheit.
Über allem - und auch auf allen Seiten ringsum - heulte der
Wüstenwind. Es war ein Geräusch, das Johnny das Blut gefrieren ließ … aber er konnte die Tatsache nicht leugnen, daß
es auch etwas seltsam Anziehendes hatte … worin diese Anziehungskraft freilich bestand, konnte er nicht sagen.
Ach, lüg nicht. Du weißt es. Billingsley und seine Freunde wußten es auch, darum sind sie hierher gekommen. Gott hat dich geschaffen, damit du dieses Geräusch hörst, und so ein Raum ist ein
natürlicher Verstärker dafür. Du kannst es sogar noch besser
hören, wenn du mit deinen alten Kumpels vor der Leinwand sitzt,
legendäre Schatten wirfst und auf die alten Zeiten trinkst. Das
Geräusch ertönt in jeder Pause, ein Geräusch, das sagt, aufhören
ist okay, aufhören ist sogar die einzig logische Alternative. Das
Geräusch handelt von der Verlockung der Leere und den Freuden
des Nichts.
In der Mitte der staubigen Bühne, vor der Leinwand, die
nicht von Vorhängen eingerahmt wurde, war ein Wohnzimmer aufgebaut
- Sessel, Sofas, Stehlampen, ein Beistelltisch,
sogar ein Fernseher. Das Mobiliar stand auf einem großen
Teppich. Es sah aus wie die Ausstellungsstücke in der Möbelabteilung eines Kaufhauses, aber Johnny wurde den Gedanken nicht los, daß, wenn Eugene Ionesco je eine Episode von Twilight Zone geschrieben hätte, die Kulisse wahrscheinlich so
ausgesehen haben würde. Das Dekor wurde beherrscht von
einer Bar aus Eichenholz. Johnny strich mit einer Hand darüber, während Billingsley die Stehlampen eine nach der anderen einschaltete. Die Stromleitungen, sah Johnny, verschwanden in schmalen Schlitzen im unteren Teil der Leinwand. An
den Enden waren diese Schlitze mit Klebeband verstärkt worden, damit sie nicht weiter entrissen.
Billingsley nickte zu der Bar hin. »Die stammt von der alten
Circle Ranch. War Teil der Clayton-Loving-Versteigerung.
Buzz Hansen und ich haben uns zusammengetan und sie für
siebzehn Piepen mitgehen lassen. Ist das zu glauben?«
»Offen gestanden, nein«, sagte Johnny und versuchte sich
vorzustellen, wieviel sie in einem der teuren kleinen Läden in
SoHo für ein Teil dieser Art verlangen würden. Er machte die
Doppeltür auf und sah, daß die Bar voll bestückt war. Und mit
gutem Stoff. Nicht erstklassig, aber gut. Er machte die Türen
hastig wieder zu. Die Flaschen in dem Schränkchen sprachen
ihn auf eine Weise an, wie es die Flasche Beam, die er aus dem
Owl’s mitgenommen hatte, nicht vermochte.
Ralph Carver setzte sich in einen Sessel und sah mit der
dumpfen Hoffnung eines Mannes über die leeren Sitzreihen
hinweg, der glaubt, daß er vielleicht doch nur träumt. David
ging zum Fernseher. »Bekommen Sie irgendwas mit diesem oh, ich verstehe.« Er hatte den Videorecorder darunter gesehen. Er bückte sich, um sich die Kassetten anzusehen, die darauf lagen.
»Junge -« begann Billingsley, dann gab er auf.
David überflog rasch die Hüllen
- Sexhungrige Studentinnen, Geile Gouvernanten, Cockpit-Flittchen Teil 3 - und legte sie
wieder hin. »Sie sehen sich das an?«
Billingsley zuckte die Achseln. Er sah müde und verlegen
zugleich aus. »Wir sind zu alt zum-zum, Junge. Eines Tages
wirst du das vielleicht verstehen.«
»He, das ist Ihre Sache«, sagte David und stand auf. »Ich
hab nur gefragt.«
»Steve, sieh dir das an«, sagte Cynthia. Sie trat zurück, hob
die Arme über den Kopf, überkreuzte sie an den Handgelenken und bewegte sie hin und her. Ein riesiger Schatten flatterte träge auf der Leinwand, auf der sich im Lauf der Jahrzehnte mehrere Schichten Staub angesammelt hatten. »Eine
Krähe. Nicht schlecht, was?«
Er grinste, stellte sich neben sie und preßte die Hände mit
einem nach unten zeigenden Finger vor sich zusammen.
»Ein Elefant!« rief Cynthia lachend. »Echt cool!«
David lachte

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