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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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schwang den Hammer bis
hinter die rechte Schulter zurück und warf ihn in dem Moment, als sich der Wolf auf ihn stürzte.
Er rechnete damit, daß sich der Hammer überschlagen
würde, und war überzeugt, er werde über den Kopf des Tiers
hinwegfliegen - vor schätzungsweise tausend Jahren war er
Werfer an der Lincoln Park High School gewesen und kannte
immer noch das Gefühl, wenn ein Wurf viel zu hoch war -,
aber es kam anders. Es war kein Excalibur, nur ein schlichter
alter Hammer mit einer perforierten Gummihülle um den
Griff, damit man ihn besser halten konnte, aber er überschlug
sich nicht und ging nic ht zu hoch.
Sondern er traf den Wolf genau zwischen den Augen.
Ein Geräusch ertönte, als fiele ein Ziegelstein auf ein
Eichenbrett. Das grüne Leuchten in den Augen des Wolfs erlosch; sie wurden zu alten, stumpfen Murmeln, während Blut
aus dem gespaltenen Schädel des Tiers quoll. Dann prallte der
Wolf gegen Johnnys Brust und warf ihn so fest gegen die
Tischkante, daß ein Feuerwerk von Schmerzen in seinem
Rücken ausgelöst wurde. Einen Augenblick konnte Johnny
den Wolf riechen - ein trockener Geruch, fast zimtartig, wie
die Gewürze, mit denen die alten Ägypter ihre Toten konserviert hatten. In diesem Augenblick hatte das tote Tier Johnny
den Kopf zugewandt, und die Zähne, die ihm nach menschlichem Ermessen die Kehle hätten zerfetzen müssen, schimmerten hilflos. Johnny konnte seine Zunge und eine alte, sichelförmige Narbe an der Schnauze sehen. Dann brach der
Wolf zu Johnnys Füßen zusammen wie etwas Loses und
Schweres, das in eine fadenscheinige alte Felldecke gewickelt
worden war.
Johnny wich keuchend zurück. Er bückte sich, um den
Hammer aufzuheben, dann wirbelte er so ungeschickt herum,
daß er um ein Haar gefallen wäre, und war überzeugt, der
Wolf würde aufspringen und sich wieder auf ihn stürzen; es
war unmöglich, daß er ihn einfach so mit dem Hammer erledigt haben konnte, absolut keine Chance, der Wurf war zu
hoch gewesen, seine Muskeln erinnerten sich, wie es war,
wenn man einen Ball auf die Reise schickte, der weit über das
Ziel hinausflog, sie erinnerten sich ausgezeichnet daran.
Aber der Wolf lag an der Stelle, wo er zusammengebrochen
war.
Wird es Zeit, David Carvers Gott anders einzuschätzen? fragte
Terry leise. Jetzt in Stereo; sie hatte einen Platz in seinem Kopf,
und sie hatte einen Platz an der Wand unter SIE MÜSSEN
EINEN SCHUTZHELM TRAGEN.
»Nein«, sagte er. »Es war ein Glückstreffer, nichts weiter.
Wie der Treffer unter tausend auf der Kirmes, wenn man tatsächlich den großen Panda aus Plüsch für seine Freundin
gewinnt.«
Ich dachte, du hättest gesagt, daß es ein schlechter Wurf war. »Nun, ich hab mich eben geirrt, oder nicht? Was du mir an
jedem beschissenen Tag mindestens sechs- bis zwölfmal gesagt hast, du formidables Miststück.« Der heisere, fast tränenerstickte Klang seiner eigenen Stimme erschreckte ihn. »War
das nicht dein ewiger Refrain während unserer ganzen reizenden Beziehung? Du irrst dich, Johnny, du irrst dich,
Johnny, du irrst dich verdammt völlig, Johnny?«
Du hast sie im Stich gelassen, sagte Terrys Stimme, aber nicht
die Verachtung machte ihn betroffen (schließlich handelte es
sich nur um seine eigene Stimme, seinen eigenen Verstand mit
den alten Bauchrednerkunststückchen), sondern die Verzweiflung. Du hast sie dem Tod überlassen. Schlimmer, du leugnest
Gott, obwohl du ihn angefleht hast … und er dich erhört hat. Was
für ein Mensch bist du?
»Einer, der den Unterschied zwischen Gott und einem Freiwurf kennt«, sagte er zu der Frau mit dem blonden Haar und
dem Einschußloch im Laborkittel. »Ein Mann, der auch weiß,
daß man sich verdünnisieren sollte, solange man es noch kann.«
Er wartete darauf, daß Terry antwortete. Terry antwortete
nicht. Er dachte ein letztes Mal darüber nach, was gerade geschehen war, ließ es mit seinem nahezu perfekten Gedächtnis Revue passieren und sah nur seinen eigenen Arm, der
offenbar doch nicht alles darüber vergessen hatte, wie man
einen Fastball warf, und einen ganz gewöhnlichen Hammer. Kein blaues Licht. Keine Spezialeffekte wie von Cecil
B. DeMille. Keine Londoner Philharmoniker, die im Hintergrund mit hundert Violinen schmalzige Ehrfurchtsklänge
fiedelten. Angst und Leere und Verzweiflung, die er verspürte, waren vergängliche Gefühle; sie würden vergehen.
Jetzt würde er den Geländewagen von der Erzlore abkoppeln, indem er den Bolzen mit dem Hammer aus der
Öse klopfte. Danach würde

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