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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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wie schwerer Regen. Er zuckte unkontrolliert in der
Umarmung seines Vaters, keuchte und wich blind einen
Schritt zurück. Seine heftig zitternden Hände hatte er vor sich
ausgestreckt.
»David!« schrie Ralph. »David, was -«
Dann war es vorbei. Einfach so. Die Kraft verschwand.
Aber er konnte immer noch die China-Grube sehen, wie er sie
einen Augenblick in den Armen seines Vaters gesehen hatte;
als würde er von einem Tiefflieger aus hinunterschauen. Die
Grube schimmerte im letzten Mondschein, ein widerliches
Abflußloch aus Alabaster. Er konnte das Rauschen des Windes in den Ohren und eine Stimme
(mi him, en tow! mi him, en tow!)
rufen hören. Eine Stimme, die nichts Menschliches an sich
hatte.
Er versuchte, sein Denken zu klären und sie anzusehen
-
so wenige waren noch übrig von der Collie Entragian Survival Society. Steve und Cynthia standen nebeneinander,
sein Vater bückte sich zu ihm; dahinter die mondhelle
Nacht.
»Was ist?« fragte Ralph unsicher. »Allmächtiger Gott, was
ist jetzt wieder?«
Er sah, daß er die Brieftasche fallen lassen hatte, und bückte sich, um sie aufzuheben. Wäre nicht gut, sie hierzulassen,
heiliger Strohsack, nein. Er wollte sie in die eigene Gesäßtasche stecken, dann dachte er daran, wie sie aus der von
Johnny herausgerutscht war, und verstaute sie statt dessen in
der Brusttasche seines Hemdes.
»Ihr müßt zur Grube gehen«, sagte er zu seinem Vater.
»Daddy, du und Steve und Cynthia, ihr müßt sofort zur
China-Mine. Mary braucht Hilfe. Habt ihr verstanden? Mary
braucht Hilfe!«
»Wovon redest d-«
»Sie ist entkommen, sie läuft die Straße zur Stadt entlang,
und Tak verfolgt sie. Ihr müßt gleich gehen. Sofort!«
Ralph streckte wieder die Arme nach ihm aus, aber diesmal
auf eine zaghafte, kraftlose Art. David duckte sich mühelos
unter seinen Armen weg und sprang vom Heck des Ryder auf
die Straße.
»David!« rief Cynthia. »Daß wir uns aufteilen … bist du
sicher, daß das richtig ist?«
»Nein!« rief er zurück. Er fühlte sich verzweifelt und verwirrt und mehr als ein wenig aus der Fassung. »Ich weiß,
daß es sich falsch anhört, mir kommt es auch falsch vor, aber
es geht nicht anders! Ich schwöre es. Es geht einfach nicht
anders!«
»Du kommst sofort zurück!« bellte Ralph.
David drehte sich um und erwiderte mit seinen dunklen
Augen den hektischen Blick seines Vaters. »Geht, Dad. Alle
drei. Sofort. Ihr müßt. Helft ihr! Um Gottes willen, helft
Mary!«
Und bevor jemand eine weitere Frage stellen konnte,
machte David Carver auf dem Absatz kehrt und verschwand
in der Dunkelheit. Mit einer Hand ruderte er in der Luft; die
andere drückte er an sein Hemd und hielt die echte Krokodillederbrieftasche von John Edward Marinville fest, dreihundertfünfzig Dollar, von Barney’s in New York.
5
    Ralph versuchte, hinter seinem Sohn herzuspringen. Steve
packte ihn an den Schultern, Cynthia an der Taille.
»Lassen Sie mich los!« rief Ralph und wehrte sich … aber
nicht allzusehr. Steve fühlte sich geringfügig ermutigt. »Lassen Sie mich meinem Sohn folgen!«
»Nein«, sagte Cynthia. »Wir müssen ihm glauben, daß er
weiß, was er tut, Ralph.«
»Ich kann ihn nicht auch noch verlieren«, flüsterte Ralph,
entspannte sich aber und versuchte nicht mehr, sich loszureißen. »Ich kann es nicht.«
»Vielleicht ist es zu dem Zweck am besten, einfach zu tun,
was er sagt«, sagte Cynthia.
Ralph holte tief Luft und atmete aus. »Mein Sohn ist dieses
Arschloch suchen gegangen«, sagte er. Es hörte sich an, als
würde er mit sich selbst sprechen. Es sich selbst erklären. »Er
ist diesem eingebildeten Arschloch gefolgt, um ihm seine
Brieftasche zurückzugeben, und wenn wir ihn nach
dem
Grund fragen, dann sagt er, weil es Gottes Wille ist. Hab ich
recht?«
»Ja, wahrscheinlich«, sagte Cynthia. Sie berührte Ralph an
der Schulter. Er schlug die Augen auf, und sie lächelte ihn an.
»Und wissen Sie, was der Hammer ist? Wahrscheinlich ist es
die Wahrheit.«
Ralph sah Steve an. »Sie würden ihn nicht im Stich lassen,
oder? Mary holen, auf der Zufahrtsstraße zum Highway fliehen und meinen Jungen zurücklassen?«
Steve schüttelte den Kopf.
Ralph hielt die Hände vors Gesicht, holte tief Luft, atmete
aus, ließ die Hände sinken und sah sie an. Jetzt wirkten seine
Züge wie versteinert, als hätte er Entschlüsse gefaßt und
Brücken hinter sich abgebrochen. Steve kam ein seltsamer Gedanke: Zum erstenmal, seit er die Carvers kennengelernt hatte, konnte er den Sohn im Vater

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