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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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erkennen.
»Na gut«, sagte Ralph. »Überlassen wir es Gott, meinen
Jungen zu beschützen, bis wir wieder zurück sind.« Er sprang
von dem Wagen und sah grimmig die Straße entlang. »Gott muß es tun. Dieser Dreckskerl Marinville wird es ganz sicher
nicht tun.«
55l

Kapitel 4
1
    Als der Wolf auf Johnny zugerannt kam, durchfuhr diesen
blitzartig der Gedanke daran, wie der Junge gesagt hatte,
das Wesen, das hier die Fäden in der Hand hielt, wollte, daß
sie die Stadt verließen, und wäre glücklich, wenn sie gingen.
Vielleicht eine kleine Fehlschaltung im zweiten Gesicht des
Jungen … vielleicht hatte Tak auch einfach nur die Chance
gesehen, einen von ihnen auszuknipsen, und nutzte sie.
Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul, und so
weiter.
Ob so oder so, dachte er, ich bin königlich ins Knie gefickt.
Du hast es nicht anders verdient, Süßer, sagte Terry hinter
ihm - ja, das war Terry, wie sie leibte und lebte, hilfreich bis
zuletzt.
Er schwang den Hammer gegen den heranstürmenden
Wolf und schrie: »Verschwinde hier!« mit einer so schrillen
Stimme, daß er sie kaum als seine eigene erkannte.
Der Wolf wich nach links aus, knurrte und lief mit eingeknickten Hinterläufen und eingeklemmtem Schwanz in
einem engen Kreis. Er stieß mit einer seiner kräftigen Schultern an einen Schrank, als er seine Runde vollendet hatte, und
eine Teetasse, die darauf stand, fiel herunter und zerschellte
am Boden. Das Radio hustete ein langgezogenes und lautes
statisches Rauschen aus.
Johnny machte einen Schritt zur Tür und malte sich aus, wie
er den Flur entlang und auf den Parkplatz hinauslaufen würde
- Scheiß auf den Geländewagen, er würde anderswo einen
fahrbaren Untersatz finden -, und dann stand der Wolf wieder
mit gesenktem Kopf und aufgerichteten Nackenhaaren im
Gang, und seine Augen (schrecklich intelligente, schrecklich wissende Augen) glühten. Johnny wich zurück, hielt den Hammer vor sich in die Höhe wie ein Ritter, der mit seinem Schwert
dem König salutiert, und schwenkte ihn unablässig. Er konnte
seine verschwitzte Handfläche an dem perforierten Gummigriff des Hammers spüren. Der Wolf sah riesig aus, mindestens so groß wie ein ausgewachsener deutscher Schäferhund.
Im Vergleich dazu wirkte der Hammer lächerlich klein, ein
Werkzeug, das man zu Hause benutzte, um Regale zu reparieren oder Bilderhaken in die Wand zu schlagen.
»Hilf mir, Gott«, sagte Johnny … aber er spürte keine Präsenz; Gott war nur ein Wort, das man so dahinsagte, wenn
man sah, daß die Kacke sich den thermischen Gesetzen widersetzen und gleich wieder am Dampfen sein würde. Kein
Gott, kein Gott, er war kein Vorstadtkind aus Ohio, dessen erste Begegnung mit einem Rasierapparat noch drei Jahre auf
sich warten lassen würde; Gebete waren nur eine Erscheinungsform dessen, was Psychologen als »magisches Denken«
bezeichneten, und es gab keinen Gott.
Und wenn es einen gäbe, weshalb sollte er sich ausgerechnet um
mich kümmern? Warum sollte er sich um mich kümmern, nachdem
ich die ändern hinten im Bus im Stich gelassen habe?
Plötzlich bellte der Wolf ihn an. Es war ein absurdes
Geräusch, so hoch und schrill, wie Johnny es von einem Pudel
oder Cockerspaniel erwartet hätte. Aber seine Zähne wirkten
keineswegs absurd. Bei jedem schrillen Bellen troffen Speichelfäden zwischen ihnen hervor.
»Raus!« rief Johnny ihm mit seiner gellenden, bebenden
Stimme zu. »Sofort raus mit dir!«
Statt zu verschwinden, ging der Wolf mit den Hinterläufen
in die Hocke. Einen Augenblick glaubte Johnny, daß das Tier
scheißen würde, daß es so große Angst hatte wie er selbst und
hier auf den Laborboden scheißen würde. Einen Sekundenbruchteil, bevor es geschah, wurde Johnny dann klar, daß der
Wolf sich nicht zum Scheißen hinkauerte, sondern um zu
springen. Um ihn anzuspringen.
»Nein, Gott, nein, bitte!« schrie er und wandte sich zur
Flucht - zurück zu dem Geländefahrzeug und den Toten, die
steif an ihren Haken hingen.
Das tat er in seiner Vorstellung; sein Körper bewegte sich in
die entgegengesetzte Richtung, vorwärts, als würde er von unsichtbaren Händen geleitet. Er hatte nicht das Gefühl, besessen zu sein, aber den deutlichen und unmißverständlichen
Eindruck, daß er nicht mehr allein war. Sein Entsetzen fiel von
ihm ab. Sein erster übermächtiger Impuls
- sich herumzuwerfen und wegzulaufen - fiel ebenfalls von ihm ab. Statt dessen machte er einen Schritt vorwärts und stieß sich mit der
freien Hand von dem Tisch ab. Er

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