Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
und
Nase, sondern ganze Ströme Blut und Bindegewebe. Und sie
bekam nicht mehr genügend Sauerstoff, um die Jagd fortzusetzen. Nicht mit nur einem funktionstüchtigen Lungenflügel.
Dann geschah ein Wunder. Das Miststück lief zu schnell für
das Gefalle und warf gleichzeitig einen Blick über die Schulter; Mary stolperte, legte einen spektakulären Sturz hin, landete wie bei einem Bauchplatscher auf dem Boden und schlitterte fast drei Meter bergab, bis sie am Ende einer dunklen
Schleifspur liegenblieb. Sie lag mit dem Gesicht nach unten
und ausgestreckten Armen da und zitterte am ganzen Körper.
Im Licht der Sterne sahen ihre Hände mit den gespreizten Fingern wie blasse Meerlebewesen aus, die aus einem Gezeitenbecken gefischt worden waren. Tak sah, wie sie sich auf ein
Knie erheben wollte. Sie zog das Bein ein wenig an, erschlaffte
und brach wieder zusammen.
Jetzt! Jetzt! Tak ah wan!
Tak zwang den Ellen-Körper zu etwas, das einem Sprint
gleichkam und verließ sich auf die letzte Energie dieses Körpers und auf seine eigene Behendigkeit, damit es nicht stolperte und hinfiel wie das Miststück. Das Hin und Her der
Atmung war zu einer Art feuchtem Blubbern in Ellens Kehle
geworden, als würde ein Kolben in dickem Schmieröl auf und
ab gleiten. Ellens Sinneswahrnehmung wurde an den Rändern grau und bereitete sich auf den endgültigen Zusammenbrach vor. Aber eine Weile würde sie noch durchhalten. Nur
eine Weile. Und mehr als eine Weile würde nicht nötig sein.
Hundertdreißig Meter.
Hundertzwanzig.
Tak lief auf die Frau zu, die auf der Straße lag, und schrie,
von lautlosem, gierigem Triumph erfüllt, während es die Distanz verringerte.
3
    Mary konnte etwas kommen hören, das sinnlose Worte mit
einer belegten, gurgelnden Stimme schrie. Konnte das Stapfen
von Schuhen auf dem Schotter hören. Immer näher. Aber das
alles schien unwichtig zu sein. Wie etwas, das man in einem
Traum hörte. Und dies alles mußte doch ein Traum sein …
oder nicht?
    Steh auf, Mary! Du mußt aufstehen!
Sie schaute auf und sah etwas Gräßliches, aber nicht im
geringsten Traumähnliches, das wie eine Harpyie aus der
griechischen Mythologie auf sie herabstieß. Das Haar wehte
der Gestalt um den Kopf. Ein Auge war geplatzt. Bei jedem
Atemzug spritzte Blut aus ihrem Mund. Und ihr Gesicht
hatte den Ausdruck eines verhungernden Tieres, das das
Anpirschen aufgegeben hatte und alles auf den Endspurt
setzte.
STEH AUF, MARY! STEH AUF!
Ich kann nicht, ich bin überall wund, und außerdem ist es sowieso
zu spät, stöhnte sie der Stimme als Antwort entgegen, aber
noch während sie es stöhnte, bemühte sie sich wieder, auf die
Knie zu kommen. Diesmal schaffte sie es, sie stemmte sich auf
einem Knie hoch und versuchte, sich ein letztesmal aus dem
Brunnen der Schwerkraft hinaufzuziehen.
Das Ellen-Ding sprintete derweil mit letzter Kraft. Es schien
dabei förmlich aus den Kleidungsstücken herauszuexplodieren. Und es schrie: ein langgezogenes Heulen von Wut und
Gier, in einen Blutschwall verpackt.
Mary stand auf und schrie ebenfalls, während das Ding auf
sie zustürmte, die Arme ausstreckte, mit den Fingern nach ihr
greifen wollte. Sie begann einen Wettlauf bergab; die Augen
quollen ihr aus den Höhlen, und ihr weit aufgerissener Mund
formte einen lautlosen Schrei.
Eine widerlich heiße Hand klatschte zwischen Marys
Schulterblätter und versuchte, ihre Bluse zu packen. Mary
warf sich nach vorne und wäre um ein Haar gestolpert, als sie
den Oberkörper über den Schwerpunkt hinaus beugte, aber
die Hand rutschte ab.
»Miststück!« Ein unmenschliches, kehliges Knurren
- direkt
hinter ihr -, und diesmal bekam die Hand ihr Haar zu fassen.
Wäre Marys Haar trocken gewesen, hätte der Griff einen Halt
gefunden, aber es war naß
- fast glitschig - von Schweiß.
Einen Augenblick spürte sie die Finger des Dings im Nacken,
dann waren sie verschwunden. Sie rannte mit immer größeren Sätzen bergab, und nun gesellte sich eine irre Ausgelassenheit zu ihrer Angst.
Ein Poltern ertönte hinter ihr. Sie riskierte einen Blick zurück und sah, daß das Ellen-Ding gestürzt war. Es krümmte
sich in sich selbst wie eine zertretene Schnecke. Die Hände öffnete und schloß es, als wollte es immer noch nach der Frau
greifen, die ihm um Haaresbreite entkommen war.
Mary drehte sich um und konzentrierte sich auf die blinkende Ampel. Die Ampel war jetzt näher … und Mary konnte
auch noch andere Lichter sehen, da war sie ganz sicher.
Scheinwerfer, die sich ihr näherten. Sie

Weitere Kostenlose Bücher