Dessen, S
spät für eine andere Färbung. Gut, schlecht – daskonnte man nie wissen, aber wenigstens war es etwas Farbe. Deshalb nahm ich mein Handy und antwortete Jason.
Okay. Bin unterwegs.
***
Als ich an dem Abend heimkam, stand Heidi auf der Terrasse und schaute übers Meer. Schon von Weitem bemerkte ich ihre Anspannung: die Art, wie sie den Kopf traurig zur Seite neigte, wie verkrampft ihre Schultern wirkten. Deshalb wunderte ich mich nicht über ihre verquollenen Augen, als sie sich zu mir umdrehte.
»Auden.« Sie hob die Hände, um sich die Haare aus dem Gesicht zu streichen, atmete tief durch. »Ich habe nicht so früh mit dir gerechnet.«
»Ich habe eher Schluss gemacht als sonst.« Ich steckte den Hausschlüssel in meine Tasche. »Alles okay?«
»Ja.« Sie kam ins Haus, schloss die Tür hinter sich. »Ich habe bloß nachgedacht.«
Einen Augenblick lang standen wir schweigend voreinander. Von oben, aus Thisbes Zimmer, hörte ich die tosende Brandung. »Und … wie war’s?«
»Gut.« Sie schluckte, biss sich auf die Unterlippe. »Wir haben endlos geredet.«
»Und?«
»Und wir haben uns darauf geeinigt, dass es unter den jetzigen Umständen besser ist, wenn wir erst einmal alles so lassen«, antwortete sie.
»Das heißt, er bleibt vorläufig im
Condor
«, sagte ich,um wenigstens das klarzustellen. Sie nickte. »Er möchte also nicht zurückkommen?«
Sie legte ihre Hände auf meine Schultern. »Dein Vater … in seinen Augen ist er momentan eher Last als Hilfe. Deshalb findet er, es ist vielleicht besser, wenn ich mich auf Thisbe und mich selbst konzentriere, zumindest bis nach der Strandparty und bis die Saison vorbei ist.«
»Inwiefern soll das besser sein?«, fragte ich. »Ihr seid seine Familie.«
Sie wich meinem Blick aus. »Mir ist schon klar, dass das nicht besonders viel Sinn ergibt.«
»Allerdings.«
»Trotzdem verstehe ich, was er meint«, fuhr sie fort. »Dein Vater und ich … wir waren noch gar nicht so lange zusammen, dann haben wir schon geheiratet, und dann bin ich fast sofort schwanger geworden. Wir müssen ein bisschen Tempo rausnehmen.«
Ich stellte meine Handtasche auf den Tisch. »Es geht also nur ums Langsamer-Werden, nicht um eine Vollbremsung.«
Heidi nickte. »Das hast du schön gesagt.«
Um ehrlich zu sein: Überzeugt war ich nicht. Ich kannte meinen Vater, wusste, wie er sich verhielt, wenn es kompliziert wurde. Er verzog sich einfach, wobei ihm sogar noch das Kunststück gelang, das als selbstlose Geste darzustellen.
Er ließ Heidi und Thisbe also nicht etwa im Stich, sondern erleichterte ihnen das Leben. Er hatte meine Mutter nicht verlassen, weil sie ihm beruflich Konkurrenz machte, sondern war freiwillig beiseitegetreten, damit sieim Scheinwerferlicht glänzen konnte. Und garantiert hatte er die Tatsache, dass ich ein – sein – Kind war, nicht ignoriert, sondern mir zu meinem eigenen Wohl beigebracht, wie man in einer Welt voller unreifer Idioten schnell unabhängig und erwachsen wurde. Mein Vater stieg nie wieder aufs Fahrrad. Er ließ es erst gar nicht zu einem Sturz kommen. Wenn er ins Schlingern geriet, fuhr er an die Seite und stieg gleich ganz ab. Ende der Fahrt.
»Soviel von mir.« Heidi zog einen Stuhl unter dem Tisch hervor und setzte sich. »Was passiert bei dir?«
Ich setzte mich ihr gegenüber. »Sieht so aus, als hätte ich ein Abschlussball-Date«, antwortete ich.
»Wirklich?« Sie klatschte begeistert in die Hände. »Das ist großartig!«
»Ja, Jason hat mich gerade gefragt.«
Sie wirkte verwirrt. »Jason?«
»Mein Schulfreund von früher«, erwiderte ich. Sie wusste immer noch nicht, wen ich meinte, deshalb hielt ich demonstrativ mein Handy hoch. »Der SMSer.«
»Oh. Der Junge, der dich versetzt hat?«
Ich nickte.
»Na ja, das ist ziemlich …«
»… jämmerlich?«, fiel ich ein.
»Eigentlich wollte ich sagen, auf die Weise schließt sich ein Kreis, oder so etwas Ähnliches«, erwiderte sie langsam. »Oder willst du gar nicht auf den Ball gehen?«
»Doch, schon.« Ich betrachtete prüfend meine Fingernägel. »Ich meine, immerhin ist es eine zweite Chance und ich wäre schön blöd, sie nicht wahrzunehmen.«
»Stimmt.« Sie lehnte sich ein wenig zurück. »So viele davon bekommt man nicht.«
Ich nickte und dachte an Jason: Wie er im
Last Chance
an einem Tisch auf mich gewartet und gestrahlt hatte, als ich zur Tür hereinkam. Während wir Hamburger und Zwiebelringe gegessen hatten, erzählte er ununterbrochen von
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