Dessen, S
nicht«, wandte Maggie ein. Tränen stiegen ihr in die Augen.
»Komm, Mag, das weißt du genau.« Auch Esther warf mir einen Blick zu und nahm Maggies Hand. »Jetzt kannst du endlich anfangen, ihn zu vergessen. Denk doch mal nach. Was Besseres konnte dir eigentlich gar nicht passieren.«
»Stimmt«, pflichtete Leah ihr bei und blätterte zur nächsten Seite um.
»Wie kommt ihr nur auf den Blödsinn?«, wimmerte Maggie, ließ aber immerhin zu, dass Esther sie zur Theke zurückführte, wo Leah ihr den Caffé Mocha reichte.
»Weil du immer noch geklammert hast«, erklärte Esther sanft. »In der irrigen Hoffnung, er würde zu dir zurückkommen, hast du dich total gequält. Jetzt kannst du – nein, du
musst
endgültig loslassen. Ja, wenn man es sich recht überlegt, hat sie dir sogar einen Gefallen getan.«
Maggie blickte über ihre Schulter hinweg in meine Richtung. Ich zwang mich dazu, etwas aufrechter zu stehen. Konnte kaum glauben, dass ich eben noch beinahe Angst vor ihr gehabt hatte. Sie war klein und zierlich, geradezu winzig, eine puschelige, pinkfarbene Puderquaste. Mit diesem beruhigenden Gedanken trat ich hinter dem Bademodenständer hervor und marschierte Richtung Tür.
»Moment«, sagte Maggie.
Ich hätte nicht stehen zu bleiben brauchen. Das war mir auch klar. Trotzdem verlangsamte ich meine Schritte, wandte mich zu ihr um. Sah sie allerdings nur stumm an.
»Hast du …?«, setzte Maggie an, unterbrach sich jedoch, atmete tief durch. »Stehst du auf ihn? So richtig?Sag’s mir einfach. Ich weiß, ich komme rüber wie das letzte Weichei, aber ich muss es eben wissen.«
Ich zögerte, spürte die Blicke der drei auf mir. »Er bedeutet mir gar nichts«, antwortete ich schließlich.
Maggie musterte mich noch einen Moment lang unbeweglich. Dann nahm sie das Scheckheft und hielt es mir hin. »Danke«, meinte sie.
In ihrer hübschen Mädchenwelt wäre diese Geste vermutlich der entscheidende Wendepunkt: Von nun an würden wir unsere anfänglichen Schwierigkeiten überwinden, würden begreifen, was wir gemeinsam haben, und dicke Freundinnen werden. Aber diese Welt kannte ich nicht sonderlich gut. Und ich hatte auch kein Interesse daran, sie zu erkunden, nicht einmal als Touristin. Deshalb nahm ich das Scheckheft, nickte ihr zu und ging hinaus.
***
»Du musst mir
alles
ganz genau erzählen«, forderte meine Mutter mich auf.
Es war spät am Nachmittag. Als mein Handy klingelte, schlief ich tief und fest. Ohne überhaupt aufs Display zu schauen, wusste ich, dass es meine Mutter war. Erstens, weil sie am liebsten um diese Uhrzeit – zu Beginn der Cocktailstunde – telefonierte. Zudem rechnete ich nicht damit, dass sich irgendwer anders bei mir meldete, außer möglicherweise mein Bruder, Hollis. Doch der rief in der Regel mitten in der Nacht an, weil er immer noch nicht wirklich durchschaut hatte, dass es unterschiedliche Zeitzonen gab. Und es ihm vermutlich auch egal war.
»Ist echt schön hier.« Ich unterdrückte ein Gähnen. »Diese Aussicht …«
»Glaub ich dir sofort«, erwiderte sie. »Aber mich interessieren nur die schmutzigen Details. Erzähl mir alles. Wie geht es deinem Vater?«
Beklommen blickte ich zu meiner geschlossenen Zimmertür, als könnte ich irgendwie hindurchschauen, bis hin zu seiner. Wahnsinn, wie schnell und mühelos meine Mutter auf das einzige Thema zusteuerte, über das ich
nicht
sprechen wollte. Sie hatte einfach einen siebten Sinn für so etwas.
Ich war seit drei Tagen bei meinem Vater. In dieser Zeit hatte ich ihn insgesamt vielleicht drei Stunden zu Gesicht bekommen. Er war entweder in seinem Arbeitszimmer und schrieb, lag im Bett und schlief oder stand in der Küche wie im Transitbereich eines Flughafens, um rasch etwas zu essen, bevor er sich entweder wieder ins Arbeits- oder ins Schlafzimmer zurückzog. So viel zu meiner ursprünglichen Vision, dass wir viel Zeit miteinander verbringen, einen Teller Zwiebelringe miteinander teilen und über Literatur sowie meine Zukunft diskutieren würden. Stattdessen fanden unsere Gespräche meistens irgendwo auf der Treppe statt – ein kurzes »Wie geht’s? Warst du heute schon am Strand? War’s schön?« – während wir in entgegengesetzte Richtungen gingen. Doch diese flüchtigen Begegnungen waren, was ihre kommunikative Qualität betraf, immer noch ergiebiger als meine zaghaften Versuche, eine Unterhaltung anzuzetteln, indem ich an die Tür seines Arbeitszimmer klopfte. Denn er machte sich nicht einmal die
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