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Dessen, S

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Titel: Dessen, S Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Because of you
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Mühe,seinen Blick vom Computer abzuwenden, sodass es mir vorkam, als würden meine Worte von seinem Hinterkopf abprallen.
    Es war ätzend. Und was das Ganze noch verschärfte: So abwesend mein Vater war – als würde er nicht einmal richtig existieren   –, so allgegenwärtig war Heidi. Ich traf sie einfach
überall
. Wenn ich mir einen Kaffee holen wollte, hockte sie in der Küche und fütterte das Baby. Wenn ich mich auf der Terrasse verkroch, tauchte sie garantiert kurze Zeit später mit Thisbe im Tragegurt auf und schlug einen gemeinsamen Strandspaziergang vor. Selbst in meinem Zimmer war ich nicht sicher, dazu lag es einfach zu nah am Kinderzimmer. Was bedeutete, dass ich mich kaum rühren konnte, denn sie tauchte beim geringsten Geräusch, bei der kleinsten Bewegung prompt im Türrahmen auf, in der irrigen Annahme, ich wäre genauso scharf auf Gesellschaft wie sie.
    Es war nicht zu übersehen, wie einsam sie sich fühlte. Mir ging es jedoch genau umgekehrt. Nicht nur war ich ans Alleinsein gewöhnt – der Zustand gefiel mir sogar. Deshalb wunderte ich mich auch, warum ich überhaupt wahrnahm, wie wenig mein Vater mich beachtete. Und wie viel es mir ausmachte. Und durch Heidis Muffins und Geplapper und übertriebene Freundlichkeit wurde es bloß noch schlimmer.
    All das hätte ich meiner Mutter berichten können. Genau so etwas wollte sie schließlich hören. Aber ich wäre mir wie eine Versagerin vorgekommen. Allein, dass ich etwas anderes erwartet hatte, war lächerlich. Deshalb wählte ich einen anderen Ansatz.
    »Er ist im Prinzip nur in seinem Arbeitszimmer, jeden Tag, von morgens bis abends«, sagte ich daher. »Scheint einen richtigen Lauf zu haben beim Schreiben.«
    Stille am anderen Ende der Leitung. Sie brauchte offenbar einen Moment, um die Information zu verdauen. Schließlich: »Wirklich?«
    »Ja«, erwiderte ich. »Er hat erzählt, er sei fast fertig mit seinem Roman, wolle bloß noch ein paar Passagen überarbeiten.«
    »Ein paar Passagen überarbeiten? Dazu muss er jeden Tag von morgens bis abends in seinem Arbeitszimmer hocken?«, fragte sie süffisant. Autsch. »Und wie läuft es mit dem Baby? Hilft er Heidi dabei?«
    »Äh«, sagte ich und hätte mir am liebsten auf die Zunge gebissen, denn schon dieser eine Laut sprach Bände. »Doch, tut er. Allerdings ist sie ziemlich wild entschlossen, alles allein hinzukriegen   …«
    »Na klar«, sagte meine Mutter und ich hörte den Triumph in ihrer Stimme. »Kein Mensch auf der Welt möchte sich ganz allein und ausschließlich um ein Neugeborenes kümmern. Und falls jemand das behauptet, dann bloß, weil er keine andere Wahl hat. Hast du je mitbekommen, wie dein Vater eine Windel gewechselt hat?«
    »Bestimmt hat er das.«
    »Komm, Auden   …«
    Ich krümmte mich innerlich.
    »…   hast du es mit eigenen Augen gesehen?«
    »Nein, eigentlich nicht«, antwortete ich.
    »Aha.« Sie atmete hörbar aus. Ich konnte sie förmlichlächeln sehen. »Schön zu wissen, dass sich manche Dinge wirklich nie ändern.«
    Ich hätte sie gern darauf hingewiesen, dass sie dann wenigstens nicht so tun sollte, als würde sie das überraschen. Doch als ich den Mund wieder aufmachte, fragte ich lediglich: »Und wie geht es dir?«
    »Mir?« Ein Seufzer. »Ach, im Prinzip wie immer. Man hat mich gebeten, den Ausschuss zu leiten, der für das kommende Semester ein neues Konzept der Hauptseminare in englischer Literatur erarbeiten soll, inklusive des dazugehörigen, internen Dramas, das so ein Unterfangen unweigerlich zur Folge hat. Außerdem warten mehrere Fachzeitschriften sehnsüchtig auf diverse Artikel, die ich für sie schreiben soll, meine Reise nach Stratford rückt näher und dann gibt es natürlich noch jede Menge Dissertationen, die anscheinend nur dann fertiggestellt werden können, wenn permanent Händchen gehalten und gehätschelt wird.«
    »Klingt nach einem arbeitsreichen Sommer.« Ich öffnete das Fenster.
    »Du sagst es. Diese Doktoranden – unglaublich. Sie sind alle so hilfsbedürftig und anhänglich.« Erneuter Seufzer. Ich dachte an die Brille mit dem schwarzen Gestell, die auf der Arbeitsfläche gelegen hatte. »Ich hätte nicht übel Lust, mich auch ans Meer zurückzuziehen und den Sommer am Strand zu gammeln, ohne mir wegen irgendetwas den Kopf zu zerbrechen.«
    Ich blickte durchs Fenster aufs Wasser, den weißen Sand, die Landzunge, die in der Ferne gerade noch so eben zu erkennen war. Klar, wollte ich spöttisch erwidern.Genau so war es

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