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Dessen, S

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Titel: Dessen, S Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Because of you
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war es Heidi, die ihn unterbrach: »Ja, aber   …« Ihr Handy begann erneut zu klingeln. Sie warf einen Blick aufs Display. »Hallo? Leah, ja, was? Oh. Nein, ich weiß schon Bescheid. Bist du in der Filiale beim Laden? Dann lauf doch schnell rüber, wir treffen uns am Automaten. Ich bin schon dabei, alles zu regeln.«
    »Diese Mädchen, die sie einstellt   …«, sagte mein Vater, deutete dabei mit dem Kinn Richtung Heidi. »Typische Teenager. Immer gibt es irgendein Theater   …«
    Ich nickte verständig – als wäre ich kein Teenager. Was ich in den Augen meines Vaters ja wohl tatsächlich nicht war.
    »Sämtliche Gehaltsschecks sind geplatzt.« Heidi hatte aufgehört zu telefonieren, wandte sich meinem Vater zu. »Irgendwie ist das Ganze schon beunruhigend. Für uns alle.«
    »Ruf deinen Buchhalter an, er soll sich darum kümmern«, erwiderte mein Vater, der sich beim Gehen über Thisbe beugte und komische Grimassen schnitt. Thisbe achtete allerdings nicht weiter auf ihn, sondern döste friedlich vor sich hin. »Wir machen gerade einen Familienausflug.«
    »Er kümmert sich nicht um die Bezahlung der Angestellten, das gehört zu meinen Aufgaben«, antwortete Heidi.
    »Dann erkläre ihnen, sie mögen warten, bis wir gegessen haben.«
    »Das kann ich nicht, Robert. Sie haben ein Recht darauf, pünktlich bezahlt zu werden, und   …«
    »Wer beschwert sich denn dauernd, dass ich nichtgenug Zeit mit dir und dem Baby und Auden verbringe?«, sagte mein Vater gereizt. »Wer hat darauf bestanden, dass ich meine Arbeit unterbreche, damit wir alle zusammen essen gehen können?«
    »Ja«, antwortete Heidi. Wieder klingelte ihr Handy. »Aber   …«
    »Deshalb habe ich extra früher Schluss gemacht. Ausgerechnet jetzt, wo es super lief«, fuhr er fort, während wir auf die Promenade zumarschierten. »Und du weigerst dich, dasselbe zu tun?«
    »Robert, es geht um meine Arbeit.«
    »Ist Schreiben etwa keine Arbeit?«
    Oje, dachte ich. Man ändere ein paar Kleinigkeiten   – Boutique statt Lehrstuhl, Angestellte statt Ausschüsse – und schon stritt er sich genauso rum wie mit meiner Mutter all die Jahre. Ich warf Heidi einen Blick von der Seite zu. Sie wirkte sehr angespannt, zumal wir uns allmählich der Boutique näherten. Esther und Leah standen wartend davor. »Bitte«, sagte sie zu meinem Vater, »warum geht ihr beiden mit der Kleinen nicht schon mal vor und besorgt uns einen Tisch? Ich komme so bald wie möglich nach. Dauert bestimmt nur ein paar Minuten. Einverstanden?«
    »Gut«, erwiderte mein Vater. Obwohl das eindeutig nicht stimmte.
    Doch er war nicht der einzig Unzufriedene an diesem Abend. Zwanzig Minuten später, als wir – endlich! – im
Last Chance Café
einen Tisch bekamen, wachte Thisbe auf und fing an zu meckern. Erst quengelte sie nur ein bisschen vor sich hin, doch ziemlich bald weitete sich dasGanze dramatisch aus. Als die Kellnerin auftauchte, brüllte Thisbe mal wieder wie am Spieß.
    »Oh.« Dad ruckelte den Kinderwagen hin und her. Thisbe ließ sich dadurch nicht im Mindesten beeindrucken. »Tja. Auden, könntest du   …«
    Da kein Verb folgte, hatte ich keine Ahnung, was er von mir wollte. Doch weil Thisbe immer weiterschrie, wir inzwischen allgemeine Aufmerksamkeit erregten und er mir noch einen geradezu panischen Blick zuwarf, begriff ich plötzlich: Er wollte, dass ich übernahm. Was absurd war. Aber es kam noch schlimmer: Ich tat es.
    »Ich kümmere mich um sie«, sagte ich unwillkürlich, nahm ihm den Kinderwagen aus der Hand und schob ihn ein Stück zurück, Richtung Tür. »Warum setzt du dich nicht   …«
    Erleichtert schnitt er mir das Wort ab: »Ich setze mich schon mal hin und bestelle für uns alle. Komm zurück, wenn sie sich beruhigt hat, okay?«
    Natürlich. Als ob das so schnell der Fall sein würde.
    Ich schob den Kinderwagen auf die Promenade. Wenigstens hallte Thisbes Gebrüll im Freien nicht so ohrenbetäubend wider. Ich setzte mich auf eine Bank und betrachtete für einen Moment ihr rotes, verkrampftes Gesichtchen. Dann blickte ich zum Restaurant hinüber. Im Inneren, an einem Vierertisch, konnte ich meinen Vater erkennen. Vor ihm lag eine Speisekarte. Ich schluckte, rieb mir mit der Hand übers Gesicht, schloss die Augen.
    Menschen ändern sich nicht, hatte meine Mutter gesagt. Und natürlich recht gehabt. Mein Vater war nach wie vor egoistisch und rücksichtslos. Und ich wollte esnach wie vor nicht wahrhaben, obwohl ich den Beweis direkt vor der Nase hatte.

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