Deus Ex Machina - Teil 2: Thriller
meinem Mikrokosmos wurde immer knapper. Die Drogen in meinem Körper taten ein Übriges. Ich konnte mich kaum noch konzentrieren. Hinter meiner Stirn hämmerte ein beängstigend schneller Pulsschlag.
Plötzlich hörte ich Geräusche. Gedämpft und weit entfernt. Es klang wie Musik. Harmonische Melodien. Vor meinem geistigen Auge bildeten sich Collagen. Ein strahlend blauer Himmel. Glitzernder Tau auf unschuldigen Wiesen. Vögel mit buntem Gefieder.
Die Musik passte nicht zu diesem entsetzlichen Ort.
Nichts passte zu diesem entsetzlichen Ort.
Nur die Angst.
„Stellt das ab!“
Als hätte jemand Mitleid mit mir, verstummte die Musik. Doch war sie nur die Ouvertüre zu meiner Folter gewesen. Etwas kratzte an den Wänden meines Sarges wie Fingernägel auf einer Tafel. Zaghaft zunächst, dann immer lauter. Ich zuckte zusammen. Presste die Handflächen an die Ohren. Ein Murmeln setzt ein. Ein Choral dumpfer Stimmen. Sie umkreisten mich. Verhöhnten mich. Rezitierten Worte, die ich nicht verstand.
Wer bist du, der du kommst vor deinen Tagen?
Wer warst du, der aus so viel Wunden du Worte hauchst der Pein, mit Blut genetzt?
Aus dem Kratzen wurde ein Trommeln. Eine donnernde Kakophonie. Der Sarg wurde angehoben und fortgetragen. Ich fand keinen Halt. Rollte hilflos von einer Seite zur anderen
Was tust du hier in dieses Schachts Verließ?
Hab Acht! Hab Acht!
Verdammt zum Fraße für die Feuerbrände!
Nach wenigen Metern wurde mein Gefängnis wieder zu Boden gelassen. Unter mir knackte und knisterte es bedrohlich. Ich roch verbranntes Holz. Es wurde heiß. Unerträglich heiß. Ich schrie aus Leibeskräften. Hämmerte mit den Fäusten in alle Richtungen.
Wasser tropfte auf mich hinab. Es schmeckte salzig. Die Kleidung klebte mir an der Haut. Mein Brustkorb hob und senkte sich schneller und schneller. Ich schloss die Augen. Versuchte zu zählen. Das Fremde aus meinem Körper zu vertreiben. Schaffte es nicht.
Ich bekam keine Luft mehr. Meine Lungen brannten. Ich griff mir an den Hals. Riss die Augen auf, bis sie aus ihren Höhlen zu platzen drohten.
Der Sargdeckel wurde hochgerissen. Ein Farbenmeer schlug über mir zusammen. Lichtblitze prasselten auf meine Netzhaut nieder. Über mir zog ein blutroter Drache seine Bahnen. Giftgrüne Schlangen regneten auf mich herab. Wanden sich über mein Gesicht. Schnürten mir die Kehle zu.
Ich schlug wie ein Wahnsinniger um mich.
Schwarze Gestalten mit bizarren Tiermasken umkreisten meinen Sarg. Beugten sich über mich. Gierten mich an. Streckten ihre Klauen nach mir aus.
Die eigenen markerschütternden Schreie gellten mir in den Ohren.
Die Farben rotierten.
Die Stimmen wurden lauter und lauter.
Welch Teufel reitet dich?
Auf meinen Lippen bildete sich körniger Schaum.
Zum Tod mit ihm!
Ich spuckte und hustete. Verdrehte die Augen.
Zum Tod!
Die Masken fallen
Rensing konnte die Detonationen in seinem Kopf nicht einordnen. Sie schienen einem Rhythmus zu folgen. Einer verborgenen Melodie. Er öffnete die Augen. Die plötzliche Helligkeit ließ ihn aufstöhnen.
Wieder ein Donnerschlag.
„Martin? Kannst du mich hören?“
Rensing blinzelte. Langsam kam die Orientierung zurück. Er lag auf dem Boden in Lohoffs Büro. Jemand verpasste ihm Ohrfeigen. Das Gesicht über ihm wurde deutlicher.
„Kannst du mich verstehen?“, versuchte es Karl Hagner erneut.
Rensing betastete die hühnereigroße Beule auf seinem Hinterkopf. „Hör auf, mir ins Gesicht zu schlagen, du Schwachkopf“, ächzte er.
Hagner lächelte erleichtert. „Ganz der Alte. Was ist passiert?“
„Dieser verdammte Mistkerl!“
„Soll ich einen Arzt rufen? Vielleicht hast du eine Gehirnerschütterung.“
„Keine Zeit für Doktorspiele. Wie lange bin ich weggewesen? Wie spät ist es?“
„Kurz nach zwei. Wo ist Lohoff hin?“
„Hat sich aus dem Staub gemacht, der feine Herr Philosoph.“ Rensing rappelte sich auf. „Hast du das Schild draußen an der Tür gesehen? Ich bin so ein Dilettant, Karl. Als ich Lohoff letzten Mittwoch nach seinem Seminar auf dem Gang gesprochen habe, hat er mich unter irgendeinem billigen Vorwand abgewimmelt. Dabei ging es ihm nur darum, mich von seinem Büro fernzuhalten.“ Fieberhaft durchwühlte er seine Taschen nach seinem Handy. Er sah sich um und erspähte es in der Nähe des Fensters. Er torkelte durch den Raum und hob es auf, doch das Display war erloschen.
„Ruf in der Zentrale an, Karl. Die sollen ein SEK schicken.“
„Wohin?“
„Weiß ich noch
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