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Deus X

Deus X

Titel: Deus X Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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Mr.
Philippe?« fragte er. »Übernehmen Sie den Job? Wollen
Sie sich nicht bei den Entitäten der Anderen Seite für die
Rettung einer solchen Seele einsetzen? Was sagt Ihnen Ihr Sakrament
dazu?«
    Ich paffte ein bißchen, nur des Geschmacks wegen, denn das
Kraut hatte bereits laut und deutlich durch ihn gesprochen.
»Tja, wenn Sie’s so formulieren…«
    »Wie sonst, Mr. Philippe?«
    Ich zuckte die Achseln. Ich stand auf. »Dann wollen wir mal
reingehen und sehen, was wir aus den Bits und Bytes rauszaubern
können.«

 
VIII
     
     
    Es war, als würde man in einem stockfinsteren Raum aus dem
Schlaf erwachen. Es ist tatsächlich ungewöhnlich, daß
man sich an die Augenblicke kurz vor dem Einschlafen erinnern kann
– eine Art retroaktive Amnesie, sagen die Physiologen –,
aber ich erinnerte mich auch nicht an die Nacht zuvor. In der Tat war
das letzte, woran ich mich erinnerte, daß ich durch einen
sonnenhellen Flur in einen sauberen weißen Raum gefahren wurde,
das zufriedene Gesicht der Päpstin, das Elektrodennetz, das mir
über den Kopf gezogen wurde…
    Ich?
    Wer war ›ich‹?
    Wo war ›ich‹?
    War ›ich‹ überhaupt?
    Meine Erinnerungen daran, daß ich Pater De Leone war,
schienen intakt und leicht zugänglich zu sein. Ich schien
durchaus auch eine Art Bewußtsein zu besitzen, aber es
erfaßte nur Denkprozesse, die in einem totalen sensorischen
Vakuum abliefen. Ich war mir intellektuell der paranoiden Komponente
dieser absolut klaustrophobischen Situation bewußt,
verspürte jedoch überhaupt keine Angst. Ein nicht
greifbares Etwas schien zu fehlen.
    War dies die Hölle? War ich darin? Aber wenn ja, wo blieb die
Qual? Ich fühlte… fühlte… überhaupt
nichts.
    Ohne äußere Bezugspunkte war zeitliche Dauer ein
bedeutungsloser Begriff, aber ich hatte den Eindruck, daß meine
Denkprozesse schon bald schärfer und klarer wurden.
    ›Ich‹ war im Speicher des zentralen vatikanischen
Computers. ›Ich‹ war ein Expertensoftware-Modell des
Bewußtseins von Pater De Leone. Pater De Leone war nach seinem
und vielleicht auch meinem Verständnis tot. Vielleicht
hätte ich wegen ›meines‹ Ablebens trauern sollen, aber
ich konnte es nicht, mir schien die Subroutine für eine solche
Emotion zu fehlen. Jedenfalls sagte mir die Logik folgendes:
    a: Pater De Leones Seele war in den Himmel oder – weniger
wahrscheinlich – in nicht so beliebte Regionen gekommen.
    Oder:
    b: Es gab keine solche Nichtsoftware wie die Seele, und
›ich‹ war deshalb der einzige überlebende Erbe seines
Persönlichkeitsmusters.
    Das hieß:
    1: Ich war Pater De Leone, und es wäre ein logisches
Paradoxon für das Bewußtsein, wenn es feststellte,
daß es sein eigenes Hinscheiden beweinte.
    Oder:
    2: ›Ich‹ war nur ein Konstrukt, das seine Erinnerungen
und Denkmuster enthielt, dem jedoch sein ›Ich‹ fehlte.
    In jedem Fall wäre es ein logischer Trugschluß, so zu
reagieren, als ob ›ich‹ gestorben wäre. Wenn ich in
einem absoluten Sinn Pater De Leone war, dann lebte sein
Bewußtsein noch, und wenn ich es nicht war, dann war jemand
anders als ›ich‹ gestorben.
    Natürlich sagten mir meine Erinnerungen, daß Pater De
Leone an folgende Möglichkeit glaubte:
    c: Die Seele existierte unabhängig von der Software,
würde aber erst dann ins Leben nach dem Tod entlassen, wenn die
letzte Kopie dieser Software aus der wie auch immer gearteten
materiellen Matrix gelöscht wurde, in der sie sich befand.
    Aber das war ein logischer Widerspruch. Wenn die Seele nicht das
Software-Muster war, konnte sie durch dessen Speicherung in einer
materiellen Informationsspeichermatrix nicht eingefangen werden.
    Warum hatte ›ich‹… ›er‹ das nicht sehen
können, bevor… bevor…
    Pater De Leone…
    Worte erschienen vor mir? um mich herum? in mir? Ich sah sie nicht
und hörte sie auch nicht. Sie wurden nicht gesprochen oder
geschrieben. Es waren Worte als archetypische reine Muster,
unabhängig vom Medium.
    Am Anfang war das Wort, sagt die Heilige Schrift, und die Bibel
gibt auch keinen Hinweis darauf, daß Gott sich bei dessen
Verkündung der Schrift- oder Sprechsprache bedient hat.
    Ich…
    Sprach durch ein elektronisches Tonsystem? ließ
Schriftzeichen auf einem Computerbildschirm erscheinen?
    »Ich… bin… er ist… hier…«
    Eine semantisch sinnlose Bestätigung von Kommunikation.
    Wir werden jetzt einen Systemcheck durchführen.
    »Bestätigt.«
    Was als nächstes passierte, geschah unterhalb der Ebene
›meines‹

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