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Deus X

Deus X

Titel: Deus X Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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Verkaufskanonen, die mehr als
aufgezeichnete Reaktionen auf Lager hatten.
    Da die Chaostheorie in der Software eher delphische Resultate
hervorbrachte, wandten sie sich zur ewigen Freude der Juristenzunft
menschlichen Schablonen zu.
    Die Technologie des Runterladens von Bewußtseinssoftware in
ein Leben nach dem Tod auf elektronischer Ebene gab es schon
länger, aber billig war sie nicht – allein schon das
Verfahren selbst, dann die Vorauszahlung für tausend Jahre
Strom, damit die Nachfolger-Entität nicht deaktiviert wurde, und
schließlich die ganzen Verbindungsgebühren für die
Unterhaltungskanäle –, so daß die elektronische
Unsterblichkeit nur für die wenigen gut Betuchten erschwinglich
war.
    Deshalb waren viele Leute bereit, Duplikationsrechte für
Subroutinen ihrer Nachfolger-Entitäten oder sogar editierte
Expertensystem-Versionen des Gesamtprogramms zu verkaufen.
    Wenn du berühmt warst, konnte dir dein Dup als Konzern- oder
Regierungssprecherprogramm ein hübsches Sümmchen Tantiemen
einbringen; wenn du ein Experte auf einem gefragten Fachgebiet warst,
konnte deine Expertensystem-Version die Brötchen für dich
verdienen; und zu guter Letzt konnten selbst Herr und Frau
Ganz-Normal Subroutinen als Programme zur Steuerung von Sachen wie
U-Bahnen, automatisierten Highway-Segmenten, Wettersatelliten oder
Fließband-Modulen für genug Geld in die ewige Knechtschaft
verkaufen, um dafür zu sorgen, daß ihre
Nachfolger-Entitäten auch auf längere Sicht liefen und
Zugriff auf zumindest ein paar der billigeren
Unterhaltungskanäle hatten.
    Warum auch nicht? Für die Käufer war das billiger, als
Armeen von Programmierern anzuheuern, es gab keine Streitereien mit
der Gewerkschaft, und den Verkäufern wurde zugesichert,
daß bei ihren Lohnsklaven-Doppelgängern alle
Ichbewußtseinsschleifen gelöscht worden waren.
    Auf der Anderen Seite der Himmelspforte lebten oder existierten
oder liefen also die richtigen Nachfolger-Entitäten selbst
– dank ihrer Tantiemen sozusagen im ewigen Ruhestand, oder
Software-Erben von Meatware-Schablonen, die von vornherein reich
gewesen waren –, träumten ihre
Unterhaltungskanalträume und versuchten sich einzureden, sie
seien real.
    Das Vertragsrecht gesteht ihnen nur zwei gesetzlich verankerte
Rechte zu. Solange der Saft bezahlt wird, dürfen sie nicht
gelöscht werden, und sie kontrollieren ihre eigene
Big-Board-Umgebung, nämlich die Andere Seite der Himmelspforte
– Zugang für Menschen nur auf Einladung.
    Ich konnte nur anklopfen und hoffen, daß mich jemand
reinließ.
    Ich hatte mehrere Vertraute, die aus welchen Gründen auch
immer für gewöhnlich zu kommen pflegten, wenn ich ihnen
einen Besuch abstattete. Da war Madame Suzy, deren Schablone eine
professionelle Klatschtante aus der Hautevolee gewesen war und deren
Nachfolgerin als alternde Femme fatale aus einer uralten
Salonkomödie erschien. Da war der Chairman of the Bored, der
Präsident der Gelangweilten, der über seine
Expertensystem-Ableger Verbindungen zu Unternehmenskreisen hatte. Da
war der Joker, der steif und fest behauptete, er habe einen
Zufallsgenerator in sein Motivationsprogramm eingebaut, um den freien
Willen zu simulieren, und der manchmal dazu bewegt werden konnte, zum
Spaß Pinkertons durch die Mangel zu drehen.
    Aber das waren Leute, die man in meiner Branche damals als kleine
Informanten bezeichnet hätte, und eine Entität, die ein
Programm aus dem hermetischen Netz des Vatikans stehlen konnte,
würde sich wohl kaum so einem Gesocks offenbart haben. Ich
mußte was Mächtigeres heraufbeschwören, einen
beutegierigen elektronischen Bluthund mit einer Spürnase, dessen
Tentakel weiter in die ungeheuren Tiefen reichten.
    »Knock, knock, knockin’ on heaven’s door«,
leitete ich die dämliche Zugangsroutine ein.
    »Wer ist da?« lautete der Schriftzug auf der
Tor-Darstellung.
    »Marley Philippe.«
    »Identität verifiziert. Weiter zum
Zugangsersuchen.«
    »Ich möchte den Inspektor sprechen.«
    Im Tor erschien die schwarze Silhouette einer Gestalt in Hut und
Mantel. Die typischen, fleischfarbenen, stilisierten Konturen von
Mund und Nase unter der verspiegelten Sonnenbrille verdoppelten das
Gesicht seines Gegenübers. Der Inspektor trat ein paar Schritte
vor. »Was gibt’s, Philippe?« fragte er mit einer
aalglatten, mechanischen Stimme, wie eine gut geölte
Schlange.
    Der Inspektor schwieg sich darüber aus, aber seine
Meatware-Schablone mußte ein höherer Polizeibeamter
gewesen sein, einer

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