Deus X
zu
übernehmen«, erklärte ich ihm. »Er ist nicht der
einzige da, vielleicht ist er sogar überhaupt nicht da, aber er
kann trotzdem ‘nen ziemlich guten Cop nachmachen.«
X
Nach einer Reihe von Standard-Turing-Tests wurde der
Theologenrunde der Päpstin Zugriff auf mein Programm
gewährt, und meine Befragung begann.
Es gab einige Diskussionen um den Modus, in dem diese Befragung
durchgeführt werden sollte. Die Konservativen wollten ihre
Eingaben tippen und die Ausgaben in Form von Worten auf den
Bildschirm bekommen, aber diejenigen, die beweisen wollten, daß
ich mehr als ein reines Programm war, sahen darin eine einseitige
Beeinflussung, und trotz meiner zentralen Direktive, ihrer These zu
widersprechen, zwang mich die schlichte Logik, ihnen zuzustimmen.
Meine Befrager würden also sprechen, und ich würde mit
Pater De Leones Stimmabdruck-Parametern antworten. Als es jedoch um
das optische Interface ging, wurde die Diskussion so heftig,
daß sie schließlich von der Päpstin entschieden
werden mußte.
Alle Parteien einigten sich problemlos darauf, daß ich ihre
Videobilder in Echtzeit zu sehen bekam, aber welches Gesicht sollte
›ich‹ präsentieren?
Zusätzlich zu Pater De Leones Stimmabdruck-Parametern hatte
ich seine Gesten und Mienen im Speicher und verfügte über
mehr als genug Daten, die sie mit seinem charakteristischen verbalen
Output korrelierten, um über eine Animations-Subroutine ein
Videophongespräch mit der Meatware-Schablone simulieren zu
können, und zwar so gut, daß jeder nicht mit der Wahrheit
Vertraute glauben würde, er unterhielte sich mit dem Menschen
höchstpersönlich.
Nun waren die Konservativen an der Reihe, ›einseitige
Beeinflussung‹ zu rufen, während die Liberalen
erklärten, sie könnten ja wohl nicht gut mit einem leeren
Bildschirm sprechen. So ging es hin und her, ohne daß es zu
einer Entscheidung kam, bis die Päpstin schließlich mit
verhangenen Augen und einem Lächeln, das eine Subroutine als
ironische Belustigung interpretierte, die Sache ›mir‹
übertrug.
»Ich überlasse Ihnen die Entscheidung, Pater De
Leone«, sagte sie. »Suchen Sie sich das Gesicht aus, das
Sie der Welt zeigen möchten.«
»Ich erkenne nicht an, daß zwischen mir und Pater De
Leone eine Kontinuität besteht, und ich habe auch nicht die
Verarbeitungskapazität für eine solche Entscheidung«,
erklärte ich ihr.
»Sie verstellen sich«, sagte die Päpstin, »und
sparen Sie sich die Mühe, mir zu erzählen, daß Sie
diese Fähigkeit ebenfalls nicht besäßen! Auf alle
Fälle können Sie Pater De Leones
Entscheidungsfindungsprozeß nachbilden, das ist eine reine
Expertensystem-Emulation, also tun Sie, was der gute Pater selbst
getan hätte.«
Ich gehorchte ihrem Befehl. »Ich werde eine simple
Animationsroutine isolieren«, erklärte ich ihr. »Der
Mund von Pater De Leone wird sich verformen, um die passenden Phoneme
zu artikulieren, aber sein Bild wird keine emotionalen Nuancen
darstellen.«
Und so begann die Befragung. Meine Gesprächspartner
erschienen in meiner Perzeptionssphäre als
Echtzeit-Videophon-Bilder und ich in ihrer als statisches Bild von
Pater Pierre De Leone, das nur Lippen, Zunge und Wangen bewegte.
Da Pater De Leone selbst zu den besten intellektuellen Vertretern
der konservativen Fraktion gehört hatte, konnten deren Fragen
von einer simplen Expertensystem-Subroutine, die auf seinen eigenen
Schriften basierte, mühelos beantwortet werden. Daß diese
Antworten von einem optischen Simulacrum solch niedriger Ordnung
kamen, genügte vollkommen, um sie davon zu überzeugen,
daß sie mit einem reinen Programm sprachen, und ihre Fragen
wurden bald zu leeren Wiederholungen.
Wäre Pater De Leone zugegen gewesen, hätte er sich
›gelangweilt‹, aber da ich dem strikten Gebot folgte, eine
solche Anwesenheit zu widerlegen, bildete ich keine entsprechenden
optischen oder akustischen Hinweise nach, obwohl ich es mit einer
einfachen Routine hätte tun können.
Die Debatte mit den Liberalen, die ich als Zeuge gegen meine
eigene Existenz führen mußte, erforderte eine Verarbeitung
auf höherer Ebene, und Pater De Leone hätte diesen
sokratischen Dialog genossen, aber da ›ich‹ den Auftrag
hatte, die Behauptung zu widerlegen, ›ich‹ sei etwas
anderes als ein Expertensystem, stellte ich auch kein Simulacrum von
›Vergnügen‹ zur Schau.
Verstellte ich mich? War ich zu einem Ichbewußtsein auf
dieser Ebene fähig? Ließ mir die Treue zu meiner
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