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Deus X

Deus X

Titel: Deus X Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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zentralen
Direktive eine ›Wahlmöglichkeit‹? Zog ich
›Befriedigung‹ aus ihrer Ausführung? Empfand ich diese
Befragung als ›öde‹ oder als ›intellektuell
stimulierend ‹?
    Vor solche Rätsel stellten mich jene, die ich von der
Programmierung durch meine Schablone her als ›Gegner‹
wahrzunehmen hatte. Obwohl mindestens ein Dutzend dieser
›Liberalen‹ hin und wieder auf mich Zugriffen, dominierten
in der Debatte mit dieser Gruppe recht bald zwei Prälate.
    Kardinal Karl Landsdorf hatte einen Hang zur Mystik, wie Pater De
Leone es eingeschätzt hätte, wenn auch von einer
häretischen, pantheistischen Sorte. Für ihn war nur der
Heilige Geist absolut real, alles andere war, was die Hindus Maya
nannten – die Welt, das Fleisch, Muster, die Turing-Tests
bestehen konnten, ganz gleich, in welcher Matrix. Die individuelle
unsterbliche Seele war daher eine Illusion; am Ende ihrer Zeit auf
Erden konnte sie auf ihrer Suche nach Erlösung in der
Wiedervereinigung mit diesem Geist endlos durch die Matrizen
wandern.
    »Die gnostische Häresie mit einem Hauch Curry, um den
satanischen Geschmack zu überdecken, Eure Eminenz«, war
Pater De Leones aufgezeichnete Reaktion auf eine solche
Argumentationslinie.
    »Ganz und gar nicht, Pater De Leone. Wenn wir leugnen,
daß die Suche nach Erlösung ein hinreichender Beweis
für die Existenz einer Seele ist, die auch Erlösung finden
kann, wie können wir dann an einen Gott der Liebe
glauben?«
    Er nannte mich beharrlich ›Pater De Leone‹ und versuchte
auf diese Weise, die Existenz ›meiner‹ Seele zu beweisen,
indem er ›mich‹ dazu bewegte, ihre Erlösung zu
suchen.
    »Sie haben ›Seele‹ nicht definiert, Kardinal
Landsdorf.«
    »Die Seele ist das, was des Glaubens fähig ist, Pater De
Leone.«
    »Definieren Sie ›Glaube‹, Eure Eminenz.«
    »Erkenntnis einer Wahrheit, die nicht mit Hilfe der Logik aus
den verfügbaren Daten ableitbar ist.«
    »Definieren Sie ›Erkenntnis‹. Definieren Sie
›Wahrheit‹. Definieren Sie ›aus den verfügbaren
Daten ableitbar‹.«
    Diese tautologischen Argumente waren dermaßen gesättigt
von Undefinierten und letztlich auch undefinierbaren Begriffen,
daß sie sehr leicht abzuschmettern waren. Ich brauchte noch
nicht einmal Pater De Leones Antworten nachzubilden. Einfache
Logikroutinen genügten.
    Pater Luigi Bruno war wieder ein anderer Schlag; ein Jesuit, ein
theologischer Logiker, der eine Geißel von Pater De Leones
irdischer Existenz gewesen und jetzt nicht weniger durchtrieben und
unerbittlich war.
    »Wie möchten Sie angesprochen werden?«
    »Keine Präferenz.«
    »Also gut, Pater De Leone…«
    »Ich bin nicht Pater De Leone.«
    »Dann ziehen Sie doch eine andere Anrede vor?«
    »Als Expertensystem, das Pater De Leones Bewußtsein
nachbildet, bringe ich den Wunsch der Schablone zum Ausdruck,
daß so etwas wie ich nicht in dieser Form angeredet
wird.«
    »Wie möchten Sie dann angeredet werden?«
    »Keine andere Präferenz.«
    »Ärgert Sie die Frage?«
    »Ich bin außerstande, mich zu ärgern.«
    »Tatsächlich? Dann hätten Sie nichts dagegen, wenn
ich Sie Pierre nennen würde…?«
    »Sie und Pater De Leone haben sich nie geduzt.«
    »Aber Sie haben gerade erklärt, Sie seien nicht er. Und
wenn er nicht hier ist, um diesen Einwand gegen eine solche
zugegebenermaßen plumpe Vertraulichkeit zu erheben, wer
dann?«
    War ich tatsächlich außerstande, mich zu ärgern?
Pater De Leone hätte sich bestimmt über Pater Brunos
endlose billige Paradoxa geärgert und es auch gezeigt –
Paradoxa, die größtenteils ersonnen zu sein schienen, um
seinen verärgerten Geist aus meinen Bits und Bytes
hervorzulocken, die Demonstration eines eigenständigen Willens
an den Haaren des Zorns herbeizuziehen.
    Ich konnte Ärger nachbilden. Ich konnte Langeweile über
das ganze öde Verfahren nachbilden, auch intellektuelle
Stimulation oder jeden anderen emotionalen Zustand, der in Pater De
Leones Speicherbänken aufgezeichnet war, und ich konnte die
jeweilige Nachbildung problemlos mit Stimmabdruck- und
Animations-Subroutinen koppeln, um ein überzeugendes Simulacrum
der Manifestation eines solchen Zustands auf dem Bildschirm zu
produzieren. Pater Bruno würde zweifelsohne sofort darauf
anspringen und es als willentliches Verhalten interpretieren, als
Beweis, daß ein Wesen seinen Willen ausübte.
    Ebenso hätte ich diese Speicherbänke mit denselben
Routinen koppeln können, um eine absolut überzeugende
Wiedergabe von Pater De

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