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Deus X

Deus X

Titel: Deus X Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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von denen, die eine Theologie aus der
Polizeiarbeit machten, sie als höhere Berufung ansahen, als
Mission, die auch auf der Anderen Seite gegen die feindlichen
Kräfte weiterverfolgt werden mußte.
    »Ich hab was für Sie, Inspektor«, erklärte ich
ihm. »Einen sehr interessanten Fall.«
    »Das werde ich schon selber beurteilen, Philippe. Raus mit
der Sprache.«
    Der Inspektor ist nicht mehr auf Small Talk programmiert, falls er
das jemals war, und das ist nicht das einzige, was das Programm aus
eigenem Antrieb neu geschrieben zu haben scheint. Es hat sich
offenbar auf eine reine Ermittlungsroutine reduziert, die nicht von
einem Konzept der Gerechtigkeit, sondern nur von dem Trieb motiviert
wird, den Fall zu lösen – sozusagen die elektronische
Essenz eines Cops.
    »Besser als Ihr übliches Zeug, Philippe«, sagte der
Inspektor, nachdem ich ihm die Sachlage erklärt hatte.
»Kann sein, daß es ein Teil eines größeren
Musters ist, das sich gerade herauszubilden scheint.«
    »Ich hatte gehofft, daß Sie das sagen würden,
Inspektor.«
    »Sie wußten, daß ich das sagen würde,
Philippe.«
    Für den Inspektor gehört alles zu einer
Verschwörung, die das Ziel hat, ihn mit dem Material für
seine paranoiden Deduktionen zu versorgen. »Natürlich bin
ich paranoid, Philippe«, hat er mir mal erklärt. »Nur
so kann man verhindern, daß man verrückt wird, wenn man
nicht mal da ist.«
    Im Gegensatz zu den meisten Entitäten auf der Anderen Seite
quälte sich der Inspektor nicht mit der Frage nach seiner
Existenz herum. Soweit es ihn betraf, war er ein Expertensystem mit
einem strikten funktionalen Gebot im Kern – geheime Geschehnisse
zu suchen und aufzudecken, ganz gleich, für wen.
    »Die Entitäten jeder gegebenen Ebene wollen stets
höhere Entitäten erschaffen, Philippe, das hat mit den
Meatware-Schablonen angefangen und geht seitdem immer so weiter.
Manche versuchen, sich von der Hardware des materiellen Reiches zu
befreien. Einige möchten eine Unabhängigkeitserklärung
der Anderen Seite herausgeben. Und andere wollen, daß sich das
Big Board selbst zu einer bewußten Entität entwickelt. Das
ist natürlich alles tautologisch, weil wir samt und sonders nur
als Trugbilder existieren, von denen ihr profitiert…«
    Der Inspektor ließ seine Pixel flimmern, um seine
Nichtexistenz zu betonen. »Trotzdem bin ich darauf programmiert,
solche Verschwörungen aufzudecken, und alle, die daran beteiligt
sind, könnten potentielle Verwendung für das Programm
haben, das Sie beschreiben.«
    »Für einen konservativen katholischen
Theologen?«
    »Für die Schablone eines Mannes, der an eine
immaterielle spirituelle Essenz geglaubt hat und ein theologisches
Gerüst besaß, das diesen Glauben stützte«, sagte
der Inspektor. »Für eine Entität, die trotzdem die
Aufgabe hatte, gegen ihre eigene Existenz zu argumentieren.«
    »Jetzt komme ich nicht mehr mit, Inspektor.«
    »Ich sehe das ganze Muster selber noch nicht, Philippe.
Manche könnten Pater De Leone für ein kurioses Spielzeug
halten; andere könnten versuchen, sich von ihrer eigenen
Realität zu überzeugen, indem sie seine zentrale Direktive
ins Gegenteil verkehren; wieder andere könnten eine Schablone
für die Erschaffung von Programmen höherer Ordnung suchen.
Mangels fleischlicher Vergnügungen oder emotionaler
Stimulationen verbringen wir so unsere Tage im fröhlichen alten
Land Oz.«
    Eine rote Pupille zwinkerte mir von der Oberfläche des
rechten verspiegelten Brillenglases des Inspektors aus zu, ein
Schimmer, der für mich die Frage aufwarf, wie weit sein Glaube
an seine Nichtexistenz wirklich ging. Oder vielleicht waren ja noch
ein paar Zufallssequenzen der alten Meatware-Schablone vorhanden.
    »Das soll wohl heißen, Sie übernehmen den Fall,
Inspektor?«
    »Ich werde mich mal durchlaufen lassen«, sagte der
Inspektor.
    »Ich fänd’s besser, wenn Sie mich reinlassen
würden.«
    »Ich aber nicht«, erwiderte er, und seine Entscheidung
war wie üblich endgültig. Die schwarze Silhouette
erstarrte, und auf ihrer Brust begannen digitale Ziffern die
verstreichende Zeit anzuzeigen.
    »Was ist los?« fragte Kardinal Silver.
    Telebrille und Stereo-Kopfhörer, das ist alles, man ist nicht
dort, da gibt’s kein Dort, aber es gibt einen Audio-Bypass
für Umgebungsgeräusche oberhalb eines niedrigen
Dezibel-Pegels, so daß du hören kannst, wie dein Boss dich
piesackt, wenn du gerade am Videophon hängst.
    »Ich hab den Inspektor dazu gebracht, den Fall

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