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Deus X

Deus X

Titel: Deus X Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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anstrengenden
Reise zurückkehrt. Auf seiner verspiegelten Brille erschien kein
optischer Hinweis, aber um seine Mundwinkel herum waren Linien, die
dort noch nie zu sehen gewesen waren, soweit ich mich erinnerte.
    »Na, Inspektor?« sagte ich unsicher. Er sah ganz anders
aus als sonst.
    »Ich habe meine Nachforschungen abgeschlossen, soweit das
möglich war, Philippe«, sagte er.
    »Soweit das möglich war?« Es gefiel mir gar
nicht, wie das klang.
    »Die Befragung relevanter Relaissysteme förderte eine
Anomalie im orbitalen Transponder einer geschlossenen
Satellitenverbindung zwischen dem Zentralcomputer des Vatikans und
einem Terminal in Zürich zutage. Die Satellitenstation in
Zürich wurde gegen eine andere Satellitenstation ausgetauscht,
die ihre Sicherheitscodes emulierte, so daß sie für die
Pinkertons des Vatikans transparent wurde. Der Vorfall dauerte 105
Sekunden, in denen ein Programm aus dem Zielcomputer heraufgeladen
wurde. Der Zeitpunkt fällt mit dem Verlust der
De-Leone-Entität zusammen. Schlußfolgerung: Sie wurde von
der Piraten-Station dupliziert und dann im Zielcomputer
gelöscht, und zwar von einem speziell dafür angefertigten
Virus, das sich anschließend selbst gelöscht
hat.«
    »Eine Piratenstation? Wo?«
    Der Inspektor schwieg eine Weile. »Ich habe die
Satellitenverbindung des Piraten bis zu einem Mietterminal in
Brüssel und von da zu einem Münzfernsprecher in New York
zurückverfolgt«, sagte er schließlich. »Die
Verbindungsgebühren waren der Nummer eines amtlichen
Wetterdienstes in Tokio berechnet worden, eine simple
Einweg-Informationsschleife, die nichts initiieren konnte. Folglich
gab es natürlich keine Aufzeichnung über eine solche
Verbindung von der Nummer in Tokio aus. Schlußfolgerung: Die
Verbindung war ein Phänomen des Systems selbst.«
    »Des Systems? Welches Systems?«
    »Des Systems, Philippe. Des Big Boards
selbst.«
    »Sie kommen mir mit Mystizismus, Inspektor?«
    »Gewisse Entitäten im Big Board haben… sich von den
festen Hardware-Matrizen gelöst«, sagte der Inspektor mit
unverkennbarem Unbehagen. »Sie haben ihre Software in mehrfach
duplizierte Subroutine-Module unterteilt, die in verstreuten
Speichermedien gespeichert sind und auf die zentrale
Verarbeitungsprogramme zugreifen, die im Big Board selbst
herumschweifen und mit vorübergehend ungenutzter Hardware
laufen.«
    »Sie können also nicht lokalisiert und gelöscht
werden?«
    »Genau, Philippe, sie haben sich ins Betriebssystem selbst
eingeschrieben.«
    »Ich dachte, das wäre unmöglich, und wenn nicht,
dann auf jeden Fall illegal!«
    »Höchst illegal, Philippe«, sagte der Inspektor
scharf. Rot leuchtende Pupillen erschienen an der Oberfläche
seiner Sonnenbrille. »Aber keine menschliche Polizeiagentur ist
imstande, sie zu entdecken, geschweige denn zu fassen…« Der
Inspektor zögerte erneut. »Und sie sind außerhalb
meines Zuständigkeitsbereichs. Ich bin… ich kann
nicht… ich habe keinen Zugang zu dieser Ebene.«
    »Wer dann?«
    »Niemand«, sagte der Inspektor. »Sie wird vom…
vom Vortex kontrolliert.« Seine Stimme schien um das Wort herum
zu erbeben.
    »Vom Vortex?«
    »Ein… Wächter… ein Tor… ein
Interface-Programm, das anscheinend von den Entitäten des
Systems selbst geschrieben wurde… ohne konsistente Form, ohne
konsistente Parameter…«
    »Sie haben Angst vor diesem Vortex, stimmt’s,
Inspektor?«
    »Ich besitze keine Subroutine, die eine solche Emotion
modellieren könnte, Philippe«, behauptete der Inspektor
nicht allzu überzeugend. »Aber ich bin mit einer zentralen
Direktive ausgestattet und darauf programmiert, diese auch weiterhin
auszuführen, deshalb muß ich dem strikten Gebot folgen,
die Integrität meiner Software zu wahren. Und der Vortex…
scheint eine Art räuberisches Verhalten zu praktizieren.
Entitäten, die… hineingehen, kommen nicht immer auch wieder
heraus, und wenn, dann ist die Integrität ihrer
ursprünglichen Software nicht unbedingt gewahrt.«
    »Können Sie ihn für mich aufrufen,
Inspektor?«
    »Ich könnte ihn rufen, Philippe, und er würde
vielleicht kommen, aber ich werde es nicht tun. Wenn Sie so dumm
sind, den Vortex zu rufen, dann sind Sie auf sich allein gestellt. Es
ist nicht ratsam, Philippe, absolut nicht ratsam.«
    Und er verschwand.

 
XII
     
     
    »Am Anfang«, sagte eine klanglose, primitiv
synthetisierte Stimme, »war das Wort.«
    »Wer sind Sie?«
    »Ich bin niemand. Wer sind Sie?«
    Nur die Stimme in einem ansonsten

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