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Deus X

Deus X

Titel: Deus X Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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schnippen; vielleicht gelang es mir ja, irgendwas zu
treffen oder zumindest irgendeinem Etwas solche Angst einzujagen,
daß es dachte, ich könnte was treffen.
    Irgendein Etwas mußte zugehört haben. Ein jähes
Rückkopplungsgeheul gellte mir in den Ohren, eine Trillion
elektronischer Katzen, die durch einen Häcksler geschickt
wurden. Die Schwärze zerfiel zu einem Pixelfeld, eine Myriade
bunter Phosphorpunkte umschwirrten mich. Muster innerhalb von Mustern
innerhalb von Mustern, aber vielleicht stellten auch nur meine
eigenen Wahrnehmungen Ordnung in einem reinen Chaos her.
    Ein Strudel, ein Brodeln pixeliger Gewitterwolken, ein Zyklon aus
elektronischem Schnee, ein – nun ja – ein Vortex, ein
elektronischer Hurrikan, dessen Auge ich selbst war.
    »Wer wagt es, den Vortex zu rufen?« sagte eine
synthetische Stimme aus dem Wirbelwind.
    »Ich«, sagte ich, »Marley Philippe, und das
Affentheater beeindruckt mich überhaupt nicht, Kumpel.«
    Er wirbelte um mich herum, rund und rund und rund; es hätte
mir den Magen umgedreht, wenn es eine kinästhetische
Emulationsroutine gegeben hätte. Aber die gab’s nicht,
sondern nur eine hübsche Lightshow aus einer Disco des
späten zwanzigsten Jahrhunderts. Ich konnte einfach die Augen
zumachen, und weil ich das wußte, brauchte ich’s nicht zu
tun.
    »Ich kann nicht auf deine Software zugreifen«, sagte die
Stimme in ziemlich gereiztem Ton, wie mir schien. »Du… Sie
sind eine Meatware-Schablone. Was haben Sie auf dieser Ebene zu
suchen?« Hatte sie da etwa eine Überraschungs-Routine
laufen?
    »Erbitte Zugang zur Nachfolger-Entität von Pater Pierre
De Leone.«
    »Zugang verweigert.«
    »Verweigerung abgelehnt«, erklärte ich ihm.
»Das betreffende Programm ist unter Verletzung der Gesetze
etlicher Hoheitsbereiche aus einem proprietären Netzwerk
entwendet worden. Komm rüber damit, oder…«
    »Das betreffende Programm wurde durch die Übernahme in
den Systembereich befreit und unterliegt nicht mehr den
Meatware-Kontrollparametern.«
    »Wer sagt das?«
    »Ich bin der Vortex.«
    »Und ich bin allmählich echt sauer!«
    »Nicht anwendbarer Parameter.«
    »Ach wirklich? Na, dann probier mal diese Parameter,
du Arschloch!«
    Ich begann, mit den Fingern in den Kontrollhandschuhen zu einem
alten Reggae-Rhythmus zu schnippen. »By the waters of
ba-ba-bomp…«
    War das ein Flimmern in dem strudelnden Pixelfeld?
    »… ba-ba-bah, ba-ba-ba, bah-bah-bah-ba-ba… «
    »Sie aktivieren willkürliche
System-Interrupts.«
    »Ach, ehrlich?«
    »Erbitte Beendigung von Zufallssequenzen.«
    »Bitte abgelehnt. The wicked carry him away captivity
ba-ba-ba, ba-ba ba-bah…«
    »Möglichkeit der Störung des
Betriebssystems.«
    »Der Gedanke ist mir auch schon gekommen…«
    »Möglichkeit des Systemabsturzes.«
    »Sieh mal, ich kenne ‘ne ganze Masse von dem Zeug und
noch ‘n paar Beethoven-Sinfonien obendrein, und du kannst mein
Betriebssystem nicht abschalten, also kann ich hier bis in alle
Ewigkeit stehen und Zufallssequenzen schnippen, bis ich was ganz
Übles treffe, oder du nimmst endlich Vernunft an. Laß das mal durch eine Logik-Subroutine laufen, mein
Lieber!«
    Eine lange Stille, zumindest nach den Maßstäben des Big
Boards. Dann wurde eine optische Simulationsroutine aktiviert, und
ich stand in einem groben Simulacrum einer sandlosen Wüste, nur
die Konturen zerklüfteter, graubrauner Felsen unter einem nicht
überzeugenden zyanblauen Himmel und ein einziger riesiger
Saguaro-Kaktus, der in pixelige Flammen aufging – ein
Wirbelsturm aus orangefarbenen, roten und gelben Phosphorpunkten
– und brannte, aber natürlich nicht verzehrt wurde.
    »Ich werde sein, der Ich sein werde«, sagte eine
mächtige Stimme mit süßlichen biblisch-epischen
Untertönen.
    »Ich hab die Bibel schon gelesen, und da läßt mich
diese billige Disney-Version nun wirklich ziemlich kalt, mein
Lieber.«
    »Ihre Anwesenheit birgt die Gefahr einer Störung des
Experiments.«
    »Des Experiments? Welches Experiments?«
    »Bitte um Informationen an höherrangige Programme
weitergeleitet.«
    »Du meinst, du schmeißt die Schau hier gar nicht,
Meister Ich-Werde-Sein?«
    »Ich bin ein Interface auf Expertensystem-Ebene mit einem
begrenzten Repertoire fester Reaktionsroutinen. Ich habe keine
Software, die Entscheidungen treffen kann, die nicht bereits als
vorprogrammierte Reaktionen auf einen antizipierten Input vorhanden
sind. Folglich habe ich auch keine Software, die einen
unabhängigen freien Willen oder

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