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Deus X

Deus X

Titel: Deus X Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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Inkarnation im Vatikan vor Maria I. saß, die ihre
damaligen Worte mit einer perfekten Nachahmung ihrer Satzmelodien und
ihres Mienespiels wiederholte.
    »… eine lange Reihe menschlicher Matrizen für das,
was die Originalschablone über eine andere Grenze hinweg an
Petrus weitergegeben hat.«
    Sie lächelte mich über den Tisch hinweg süffisant
an. »Ohne den Glauben an eine solche Kontinuität der
päpstlichen Software – um es einmal so auszudrücken
– wäre der Fels, auf den Jesus seine Kirche gebaut hat,
schließlich nicht mehr als Sand, und wir Päpste wären
reine Schatten.«
    »Aber Sie sind ein Schatten«, erklärte ich
ihr. »Sie und ich und diese nichtexistenten Apostel.«
    »Richtig«, sagte die Päpstin. »Aber ist nicht
die Welt nur ein Schatten von Gottes Geist? Und haben wir den Kreis
nun nicht geschlossen?«
    Eine zornige Subroutine ließ die synthetisierten Worte
über meine simulierten Lippen sprudeln. »Schluß jetzt
mit dieser Sophisterei! Schluß mit diesen billigen Illusionen!
Wenn du der Fürst der Lügner bist, befehle ich dir im Namen
des Heiligen Geistes, mir die Wahrheit dieser höllischen
Nichtexistenz klar und deutlich vor Augen zu führen oder dich
hinfortzuheben! Und wenn nicht, beweise mir, daß ich nicht mit
Dämonen spreche.«
    Die Päpstin lächelte ihr Borgia-Lächeln. »Ich
wußte, daß Sie das sagen würden«, erklärte
sie. Die Schattenapostel lachten schrecklich. Dann sprachen die
Geschöpfe der Bits und Bytes, das Simulacrum von Jesus und all
die Päpste bis zurück zu Petrus mit einer einzigen
machtvollen Stimme, die dennoch irgendwie Maria I. gehörte,
einer Stimme, die zu dieser unheiligen Harmonik geformt und
kanalisiert war.
    »Insofern sind wir unfehlbar.«

 
13
     
     
    »Was ist los, Mr. Philippe?« hörte ich Kardinal
Silvers Stimme, als ich auf die Himmelspforte starrte und mich
fragte, wie weit ich bei der Verfolgung seiner verlorenen Seele zu
gehen bereit war.
    Seele? Es war doch nur ein Expertensystem-Modell, oder etwa nicht,
und keine verlorene, gequälte Seele? Wollte ich wirklich eine
Entität heraufbeschwören, die den Inspektor und
seinesgleichen dazu brachte, sich in die nichtexistenten Hosen zu
machen, um ein Programm zu retten?
    Ich nahm die Dreadcap ab. Das Boot schaukelte auf einer
stakkatoartigen kabbeligen See. Der Kardinal starrte mich ungeduldig
und neugierig an.
    »Nun?« fragte er.
    »Stimmt, Ihr Programm ist geklaut worden«, erklärte
ich ihm. »Irgendwas ist in Ihr Netzwerk eingebrochen, hat eine
Kopie raufgeladen und das Original gelöscht.«
    »Irgendwas?«
    Ich zuckte die Achseln. »Ein Phänomen des Systems, sagt
der Inspektor.«
    »Ich verstehe nicht…«
    »Ich auch nicht«, sagte ich, »jedenfalls nicht so
ganz. Gehn wir an Deck. Dafür brauchen wir ein bißchen
Kraut unter den Sternen.«
    Irgendeine seltsame Bö wühlte die Meeresoberfläche
auf, aber der Himmel war kristallklar, die Sterne leuchteten stetig
und hell, und ich schaute zu ihnen hinauf, während ich einen
Spliff anzündete und ihm erzählte, was ich vom Inspektor
erfahren hatte.
    Das Stirnrunzeln des Kardinals verstärkte sich. Er griff nach
dem Spliff, als ich fertig war, und inhalierte das Kraut lang und
tief. »Also ist er irgendwo im System verschwunden, und Sie
müssen durch diesen… diesen Vortex hindurch, um ihn zu
erreichen.«
    »Wenn Sie glauben, daß es einen ›ihn‹ gibt,
Eure Eminenz. Wenn Sie mich davon überzeugen können,
daß es die Sache wert ist. Was glauben Sie?«
    Kardinal Silver stieß eine lange Rauchfahne aus. »Ich
glaube, wir haben dreimal schwer gesündigt«, sagte er.
»Einmal im Garten Eden, dann bei dessen Zerstörung, und ein
weiteres Mal vielleicht bei dem Versuch, dem göttlichen
Strafgericht durch die Erschaffung dieser Nachfolger-Entitäten
zu entrinnen, wobei wir die Seelen möglicherweise der ewigen
Verdammnis ausgeliefert haben, und das war die größten
Sünde von allen.«
    Er gab mir den Spliff zurück. »Dennoch muß ich
auch an die Erlösung glauben«, fuhr er fort. »Denn
wenn ich es nicht täte, wären wir selbst nicht mehr als
seelenlose Entitäten, die in diesem Fleisch gefangen sind. Aber
was erlöst werden kann, kann auch verdammt werden. Und wenn wir
uns weigern, um der Errettung der Seele eines Mitmenschen willen alle
erdenklichen Dämonen zu bekämpfen, haben wir die Verdammnis
dann nicht verdient?«
    »Glauben Sie, das De-Leone-Programm ist so eine verlorene
Seele, Eure Eminenz?«
    Der Kardinal zuckte die

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