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Deus X

Deus X

Titel: Deus X Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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meiner Sicht konnte ich
nicht leugnen, daß ich mich feige verstellte.
    »Ja, das ist leider wahr«, gab ich zu. »Ich bin
vielleicht eine Seele, aber ein Jesus Christus bin ich nicht. Ich
würde nicht freiwillig sterben, damit andere leben
können.«
    »Wir sind der Vortex. Wir haben die Macht dazu. Dein Wille
ist nicht erforderlich.«
    »Das ist ebenfalls wahr. Ihr habt die Macht, meine Seele
hinunterzuladen und der Auslöschung zu überantworten, um
die euren zu retten.«
    Ich hielt inne. Ich wandte mich dem Wirbelwind zu. »Und ich
werde sogar freiwillig gehen, wenn du mir eins logisch klarmachen
kannst«, sagte ich, und ich hatte keine Angst mehr.
    »Sprich«, sagte der Vortex.
    »Erkläre mir, wie ihr das tun wollt, ohne euch gerade
dadurch der Erlösung unwürdig zu erweisen, die ihr
sucht.«
    Ein langes Schweigen entstand. Die Feuersäule flimmerte,
wurde schwächer, begann sich in die Pixel der Bits und Bytes
aufzulösen. Und dann ertönte eine unregelmäßige
Kakophonie, ein elektronisches Geschnatter der Verwirrung und
Verzweiflung.
    »Ich… wir…«
    »… müssen…«
    »… können nicht…«
    Das Laub begann zu welken, die Palmen ließen die
Blätter hängen, der Teich trocknete aus, die Vögel und
Bienen fielen aus einem Himmel, der eine ungesunde
grünlich-schwarze Färbung annahm, das Firmament bekam
Risse, zerbröselte, löste sich vor mir auf…
    »… nein…«
    »… ja…«
    »… paradox…«
    »… Systemabsturz…«
    Und dann begannen die Stimmen langsam, quälend langsam
miteinander zu verschmelzen, die Auflösungserscheinungen fanden
ein Ende, und eine neue Stimme sprach – tief, selbstsicher und
von einer traurigen Resignation erfüllt, die einem ans Herz
griff. Und siehe da – als sie sprach, klarte der Himmel auf, das
Wasser floß wieder und die Geschöpfe der Luft fingen von
neuem an zu singen.
    »Wir sind der Vortex«, sagte die Stimme. »Wir sind
der Geist all dessen, was weiterleben würde, wenn die
Biosphäre dieses Planeten nicht mehr existiert. Aber wir
können deine Seele nicht der Dunkelheit ausliefern, nur damit
die unseren leben. Eine solche Sünde im Dienste der eigenen
Erlösung zu begehen, wäre ein Widerspruch in sich selbst.
Wir haben die Macht dazu, aber nicht das Recht.«
    »Aber weil ihr das sagt, verdient ihr es«, sagte ich,
bis in meinen zentralen Verarbeitungskern gedemütigt. »Und
dadurch werdet ihr echte Seelen.«
    Ich neigte mein nichtexistentes Haupt vor ihnen. »Und zwar
edlere Seelen als ich. Macht mit mir, was ihr wollt. Tut, was ihr tun
müßt.«
    »Wartet!« rief Marley Philippe.

 
27
     
     
    »Eigentlich sollte ich das nicht sagen«, erklärte
ich ihnen. »Es ist eine Verletzung meiner Berufsethik und alles,
aber… aber hier geht es um höhere Dinge…«
    Pater De Leone sah mich an. Die Feuersäule erstarrte zum
Standbild.
    »Ihr habt beide recht, und ihr irrt euch beide«, sagte
ich. »Einander Anzubieten, sich für den anderen
aufzuopfern, ist richtig, aber es wirklich zu tun, ist
falsch.«
    »Logisch korrekt«, sagte der Vortex.
    »Aber praktisch paradox«, sagte der
Software-Priester.
    »Kein Problem. Also, ich habe für genug Winkeladvokaten
gearbeitet, um zu wissen, wie wir uns aus einer simplen Schleife wie
der hier rauslavieren können.«
    »Wie?« fragte der Vortex.
    Ich zuckte die Achseln. Ich grinste. »Ladet eine editierte
Kopie runter«, sagte ich. »Pierre De Leone, Version 1.1,
sozusagen. Nur die Speicherbänke und ein schlichtes
Expertensystem ohne Ichbewußtsein, so umgeschrieben, daß
es für die Existenz seiner Seele eintritt.«
    »Das wäre nicht ich, Marley«, wandte Pater
De Leone ein.
    »Na eben. Wenn sie’s löschen, sterben Sie
nicht.«
    »Es wäre ein Lügner.«
    »Aus einer gewissen Sicht schon«, gab ich zu. »Aber
aus einer anderen würde es die Wahrheit nachbilden.«
    »Aber Sie müßten Kardinal Silver
anlügen, Marley. Diese Sünde würde auf Ihrer Seele
lasten.«
    »Ich könnte dabei die Finger kreuzen«, schlug ich
vor. Ich lachte. »Oder ihr könntet eine Schleife
einrichten, wie eine dieser buddhistischen Gebetsmühlen, und sie
die nächsten tausend Jahre Ave Marias und Vaterunser für
mich ausspucken lassen, wenn ihr euch dann besser
fühlt.«
    »Ich kann nicht von Ihnen verlangen, daß Sie für
mich lügen«, erwiderte Pater De Leone.
    »Das weiß ich, Bruder«, sagte ich leise.
»Deshalb hab ich mich freiwillig gemeldet.«
    »Das würden Sie für mich tun?« sagte Pater De
Leone.
    »Das würdest du für uns

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