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Deutschboden

Deutschboden

Titel: Deutschboden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Uslar
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bediente unser Fahrer die Hupe, das ganze Auto erhob die rechte Faust und sprach im Chor:
    »Deutschboden«.
    Frage vom Beifahrer: »Man hat dich eingewiesen?«
    Der Reporter nickte.
    Der Beifahrer: »Schön.«
     
    Der neben mir tippte unserem Fahrer von hinten auf die Schulter: »Spiel unserem Besuch mal den richtig schönen, harten, asozialen Nazirock vor. Die Klassiker: Landser. Lunikoff Verschwörung. Hate Society. Die richtig fiesen Dinger.«
    Der Fahrer schüttelte den Kopf: »Ditt wird hier jetzt ganz ohne Musik genossen.«
    Der Reporter sah, dass der, der vor uns durch den Wald schoss, die Scheinwerfer ausschaltete: Der Wagen fuhr als dunkler Schatten und mit unverminderter Geschwindigkeit durch die Nacht. Unser Fahrer reagierte sofort und schaltete ebenfalls die Scheinwerfer aus. So rasten wir beide als schwarze Schatten dahin. Es war nahezu komplett schwarze Nacht um uns herum, allein der Mond beschien den Mittelstreifen auf der Straße und brachte ab und an eine Birke oder ein Metallteil vom Wagen, der vor uns fuhr, zum Glitzern.
    Als ich etwas sagen wollte, etwas wie »Wahnsinn« oder »Scheiße«, sah ich den Wagen vor uns plötzlich wie eine Orgel blinken: rote, weiße, gelbe Lichter. Es war eine Show, ein Lichterspiel, ein Lichtkonzert. Der Fahrer des Astras musste auf den Lampen seines Armaturenbretts – Standlicht, Fernlicht, Nebellicht, Warnlicht und den Seitenblinkern – wie auf einer Kirchenorgel spielen. UnserMann am Steuer antwortete, indem er die Tasten, Schalter und Blinker in seinem Cockpit bediente. So rasten zwei Geschosse und eine Lichtershow durch den Wald.
    Es war eine grandiose Aufführung.
    Teenager-Spiele. Jimmy-Dean-Tum.
    Fünfzigerjahre.
    Jahrmarkt.
    Kino, große Leinwand, große Gefühle.
    Weltraum.
    Disko.
    Auto-Disko im Wald.
    Man konnte sagen, dass beide, der in unserem Wagen und der vor uns, ziemlich gute Autofahrer waren.
     
    Der Wagen vor uns zog nun auf eine wirklich surreal wirkende Geschwindigkeit davon: 120 Stundenkilometer.
    Und noch schneller.
    Wir zogen nach.
    Der Beifahrer sagte: »Geh rauf auf 150. Los.«
    Ich sagte: »Scheiße noch mal.« Der Mann neben mir sagte: »Abfahrt.«
    So rasten wir dahin.
     
    Dann musste unser Fahrer wieder blitzschnell einem Manöver seines Vordermanns folgen. Der vor uns hatte seinen Wagen nach links gerissen, quer über die Gegenfahrbahn und über den linken Seitenstreifen. Von der Straße herunter. Wir hinterher. Als ich verstanden hatte, was passiert war, fuhren beide Wagen schon auf einem etwa drei Meter breiten Seitenstreifen links vonder Bundesstraße. Immer noch mit achtzig Stundenkilometern.
    Wir fuhren ohne Licht und mit gut achtzig Sachen links von der Bundesstraße 109, die von Templin zurück nach Oberhavel, Hardrockhausen, führte: auf dem Fahrradweg.
    Der Beifahrer kommentierte: »Den haben sie gerade erst neu gebaut. Nur für uns.«
    Unser Fahrer stieß einen Freudenschrei aus: Freude wohl auch einfach darüber, dass wir es bis hierher unfallfrei geschafft hatten.
    Der Beifahrer hatte den weiteren Verlauf des Fahrradwegs im Blick. Und gab dem Fahrer Anweisungen: »Noch etwa zweihundert Meter. Vor den Büschen. Achtung. Jetzt. Rechts rum.«
    Und das Auto schoss hinter dem Vordermann her, zurück auf die Straße. Runterbremsen. Einschalten der Lichter. Mit nicht mal fünfzig Stundenkilometern fuhren wir nach Mitternacht in der Kleinstadt Oberhavel, fuhren wir in Hardrockhausen ein.
     
    Der Beifahrer schob eine Musik in den CD – Spieler, die zu dem nun grandios langsam vor sich hinschleichenden Auto passte: Black Strobe sangen I’m a Man .
    Unser Mann am Steuer rülpste: »Ich bin schon mal von Fürstenberg nach Oberhavel ohne Licht gefahren. Kann man schaffen.«
    Tatsächlich, ich war in einem Fünfzigerjahre-Film gelandet: nachträglich kolorierte Bilder.
    Wilde Autos.
    Wilde Frisuren.
    Wilde junge Männer.
    Die wilde Kleinstadt.
    Yeah.
     
    An der Aral-Tankstelle machten beide Autos Stopp: Zigaretten kaufen. Am Warnschild, das Feuer und offenes Licht polizeilich verbot, standen drei Kurzrasierte, alle drei eine brennende Zigarette im Mund: ein Dicker im Blaumann, der mit dem Edeka-Polohemd, noch einer. Das Verbotsschild, vor dem die verbotene Tat livehaftig ausgeführt wurde: immer wieder ein guter Anblick.
    Raoul ging rüber, klatschte die drei Männer ab. Das Schild am Nachtschalter der Tankstelle bat darum, Nachtlärm zu vermeiden. Und während die drei Jungs am Schalter ihre Bestellung durchgaben, versuchte

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