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Deutschboden

Deutschboden

Titel: Deutschboden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Uslar
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würde ich sie beleidigen. Was mich dann wieder selber ankotzt.«
     
    Es wurde irgendwie brenzlig. Die Skinheads waren aus ihrem Separee herausgetreten und umlagerten unseren Tisch. Da stimmte etwas nicht. Den Reporter wunderte das, wie man sich so unmittelbar neben einen Tisch, an dem Leute saßen, hinstellen und da stehen bleiben konnte.
    Und nun kam Manni von seiner Ecke angetrödelt. Er lief die zehn Schritte von der Ecke, von der er uns die ganzeZeit im Blick gehabt hatte, im Schlingergang. Manni trat gleich hin zu Rampa, beugte sich von hinten über Rampas Rücken, so dass sein Kopf wenige Zentimeter neben Rampas Kopf zu hängen kam, und fing an, in nervig kleinem Abstand, mit einem Alkoholatem, der bis zu uns herüberstank, und in nahezu unverständlicher Alkoholikeraussprache die immer selben drei Sätze in Rampas Ohr hineinzuleiern:
    »Warum hast du mir vorhin nicht Tach gesagt? Warum machst du mich so komisch an? Was hast du heute für eine große Klappe?« Dann seierte Manni: »Wir haben uns doch eigentlich immer gut verstanden.«
    Es war ein absolut quälender Auftritt. Rampa blieb ruhig. Er hörte zu. Ich sah ihn das Whiskyglas, das vor ihm auf dem Tisch stand, fester greifen.
    Im Folgenden konnte man Rampa einen zähen Wortkampf, eine Art unsichtbaren Ringkampf, gewissermaßen den praktischen Teil eines Deeskalationskurses, aufführen sehen.
     
    Rampas Kunst bestand darin, die Aggression entschieden, also ebenso aggressiv abzuwehren, wie sie gegen ihn vorgebracht wurde, und seinem Gegner gleichzeitig zu signalisieren, dass er, unter Umständen, zur Versöhnung bereit war. Rampa wollte sich jetzt unheimlich gerne nicht hauen, das verstand der Reporter, und das war natürlich die Schwäche von Rampas Position. Dem Kampf aus dem Weg gehen konnte er nur, indem er Manni zu verstehen gab, dass er sich hauen würde, auch wenn er anderes lieber tat.
    Rampa sprach: »Ich habe dich begrüßt, du Vollidiot.« Dann ruhiger, Rampas Hand blieb auf dem Whiskyglasliegen: »Jetzt mach dich doch mal locker, Manni. Was ist denn los? Was willst du denn von mir?«
    Und ebenso plötzlich, wie er gekommen war, drehte Manni sich weg und trollte sich wieder in seine Ecke. Raoul schüttelte den Kopf. Rampa: »Das war’s noch nicht. Pass uff. Der kommt gleich wieder.« Und dem Reporter erklärte Rampa: »Der ist Ringer. Den darfst du nicht zu nah rankommen lassen. Immer schön sitzen bleiben. Trinken. Beruhigen. Und wenn er noch mal kommt, dann zieh ich ihm das Glas durchs Gesicht.«
    Der Reporter wollte noch einmal wissen, wer dieser Manni war.
    »Das ist ein Scheißer, ein Nüscht, ein Weeßicknicht.
    Der ist in der verdammten Lichterkette das allerletzte Licht.«
     
    Raoul trank. Der Reporter trank. Und Rampa erklärte, dass er sich mit seinem Bruder, der ein Hüne, ein Gigant, eine brutaler Muskelmann und außerdem ein treuer, guter und gerader Mensch und Rampas liebster und bester Freund auf Erden sei, früher praktisch jeden Tag geschlagen habe: »Mein Bruder und ich, wir waren die schlimmsten Schläger von ganz Oberhavel. Wir haben wirklich alles verhauen. Oder Raoul?«
    Raoul nickte.
    Rampa: »Zwei Brüder machen eine Menge klar. Jetzt ist es so: Bist du ruhig und anständig geworden – Haus, Hof, Kinder, sone Scheiße –, dann hast du trotzdem immer noch deinen alten Namen. Und die Leute wollen sich immer noch mit dir anlegen. Irgendwann macht das keinen Spaß mehr.«
    Es trat nun der Typ, der mit Manni an der Ecke gestanden hatte, an den Tisch und forderte Rampa auf, nach draußen zu kommen: Manni warte draußen.
    Rampa sah Raoul an. Er wirkte angekotzt, erschöpft, fast verzweifelt. Kurz überlegte ich, ob er gleich losflennen würde. Ich hielt das für möglich.
    Rampa zu Raoul: »Ich kann doch nicht jedem verdammten Alkoholiker andauernd die Fresse polieren. Nee ehrlich, das schaffe ich nicht.«
    Raoul grinste Rampa an: »Geh raus, du Armleuchter. Dann hast du’s hinter dir. Bis gleich.«
    Aber Rampa rüttelte Raoul am Arm: »Weeßte watt? Ich gehe jetzt raus zu dem besoffenen Kunden und sag dem: Hier ist meine Nummer. Wenn du nüchtern bist, ruf an, dann zieh ich dir eine rüber.«
    Dann sahen wir Rampa nach draußen gehen.
     
    Als Rampa zurückkam, standen drei Frauen bei uns am Tisch. Sie sahen überhaupt nicht gut aus. Sie hatten rote Gesichter, Bäuche, fettige Haare. Sie wirkten, als ob sie sich an drei, vier Nächten pro Woche bei Franky’s Place die Nächte um die Ohren schlugen. Alle drei Frauen

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