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Deutschboden

Deutschboden

Titel: Deutschboden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Uslar
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hatten ein unschätzbares Alter, sie waren zwischen sechzehn und dreißig Jahre alt. Alle drei tranken Whisky Cola. Rampa setzte sich.
    Eine der Frauen sagte zu ihm: »Wie siehst denn du aus? Glaubst du, dass dich irgendjemand küssen möchte? So, wie du aussiehst?«
    Rampa griff sein Glas.
    Er trank.
    Die Frau sagte: »Mann, ey. Bist du hässlich.«
    Rampa sah die Frau durch seine Brillengläser an. Er fragtedie Frau: »Hast du in den letzten Jahren mal in den Spiegel geguckt?«
    Raoul sah seinen Kumpel Rampa an.
    Raoul und Rampa stießen an.
    Er schrie. Es war ein richtiger Wutanfall: »Ich schlage mir jeden Morgen selber ins Gesicht, verstehst du. Verstehst du mich, du dumme Sau. Und dann frage ich mich: Wer war das?«
    Die Frau sagte nichts.
    Sie trank und blieb mit ihren Freundinnen direkt neben unserem Tisch stehen: als ob nichts geschehen wäre. Es war, genau genommen, ja auch fast nichts geschehen.
     
    Wir hatten noch bisschen was zu besprechen: dieses noch, jenes noch. Rampa musste in ein paar Stunden raus. Raoul hatte morgen Nachmittag seine Lkw-Theorieprüfung. Franky wollte 20 Euro und 40 Cent für die Runde haben. Rampa legte einen Schein hin und erklärte: »Hier hast du 20 Euro. Und keinen Cent mehr.« Und Franky nahm das Geld und ging.
     
    Der blaue Nachthimmel von Oberhavel. Die Eiche. Die Rundbank. Das offene Fenster über dem Salon am Markt: die grauweißen Vorhänge im Wind. Es war so wunderbar still und warm und leer. Nachts wirkte es fast noch wärmer als tagsüber. Der schöne Monat Mai.
    Ich wusste nichts.
    Ich hatte heute ganz neu gelernt zu sprechen.
    Ich war deprimiert und vollkommen glücklich.
    Mir war schlecht. Noch ein Ding mehr – ein Bier, ein Gag, ein Spruch, eine gute Story –, und ich wäre hingefallen.
    Wir standen am Marktplatz. Rampa griff sich den Hut von meinem Kopf – »Der Hut ist gut« – und setzte ihn sich auf. Raoul fragte, wie das eigentlich gedacht sei: Wie lange ich noch bleibe wolle, hier bei ihnen im schönen Oberhavel. Ich sagte: »Wieso? Ich dachte, das geht hier jetzt gerade erst richtig los.«
    Rampa rief: »Lass uns die Tage mal ein Bierchen trinken gehen.«
    Ich schloss das Holztor in der Kopekenstraße auf: der Hintereingang. Haus Heimat. Zuhause.

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16 Verwirrung/Das dicke Kind
    Ich brauchte drei Tage Ruhe. Aber dieses Mal wollte ich die Ruhetage nicht draußen, sondern in der Kleinstadt, mitten in Hardrockhausen, nehmen.
    Es war jede Menge los. Und es geschah unentwegt praktisch überhaupt nichts.
    Blocky nahm mich zu allerhand Ausflügen mit, er führte mir die Kleinstadt aus den Blickwinkeln vor, die nur der Einheimische kennen konnte, und zu jedem Anblick wusste er eine kompetente und unterhaltsam vorgetragene Erklärung und Geschichte zu erzählen. Es war die Sicht, die jeden Reporter interessieren musste, weil sie Stimmung jenseits der nackten Fakten lieferte, weil sie Land und Leute aus erster Hand erklärte. Mich interessierte das alles wenig.
    Einmal fuhren Blocky und ich zum örtlichen Schützenverein. Dort trafen wir Männer, die Schnauzer, Glattlederhosen und T-Shirts mit Camouflage-Muster trugen und mit Pappbechern in der Hand vor einer hölzernen Einbauküchenwand standen. Auf dem Tisch vor der Küchen-wand stand die Kaffeekanne und lagen die Schusswaffen. Blocky hatte bei den Männern noch einen gut, weil er ihnen einmal einen Erste-Hilfe-Kurs erteilt und dafür keine Bezahlung verlangt hatte. Mein Blocky erklärte, während er eine Waffe vom Tisch nahm, sie weglegte und eine andere der Waffen, die auf dem Tisch lagen, ergriff: »Vielleicht haben wir für den Stadtmenschen, die Vogelweide, den kleinen Intellektuellen, ja mal eine 357 Magnum. Oder eine AK – 47, das russische Sturmgewehr, mit dem die Piraten vor Somalia kämpfen.« Dann gingen wir in die hölzernen Schächte, in denen die Männer auf Tischen lagen und auf Zielscheiben schossen. Der freundliche Mann, der uns die Waffen vorführte, schrie mich, den Reporter, an: »Nicht reißen! Nicht ziehen! Nicht drücken!« Schon beim Probehalten der Waffen stellte ich mich ganz außerordentlich ungeschickt an. Die Welt der Schusswaffen: Ich fand es null sexy, nur widerlich.
    Dann waren wir – Blocky und der Reporter – endlich so weit, dass Blocky, das Urgestein, mich in die Blockhütte in seinem Garten zum Grillen einlud.
    Es war ein friedlicher und einwandfrei schöner Abend. Nette Runde: ein Tierarzt, dessen Frau, Teenager-Sohn und Teenager-Tochter, ein dicker Mann mit

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