Deutschboden
Gangster, Männer?
Fragen zu stellen war entsetzlich. Aber wer hatte schon die Zeit, darauf zu warten, dass die Welt von alleine zu sprechen anfing?
Rampa sagte nichts.
Raoul zögerte zu antworten.
Nachdenkliche Gesichter bei Raoul und Rampa.
Dann erzählte Raoul: »Ich habe Zigaretten verklingelt. Das lief ganz gut. Jetzt läuft es schlechter. Seit dem 1. Januar darf man pro Person vier Stangen Zigaretten überdie polnische Grenze mitnehmen. Und das wird genutzt. Die fahren mit fünf Mann rüber, am besten vier Nichtraucher im Auto, und packen sich zwanzig Stangen in den Kofferraum. Das ist alles nichts mehr.«
Rampa: »Wir sind keine Gangster.«
Rampa sah seinen Kumpel Raoul an: »Wir sind noch nicht mal Arschlöcher. Würde ich sagen.«
Raoul: »Wir sind smart.«
Rampa: »Wenn wir jemand mögen, dann halten wir die Hand hin, dann gehen wir für den durchs Feuer. Das wirst du auch noch erleben, dass wir in Ordnung sind.«
Von unserem Tisch konnte man in einen fensterlosen Nebenraum, eine Art Separee, nicht größer als zwei mal drei Meter, sehen: Spielautomaten, Sofas. Da lungerten etwa acht junge Leute herum – Kurzrasierte, Tätowierte, die mit den Kappen, Ohrringen und Dreiviertelhosen – und ihre Mädchen. Es war ein traniges, müdes, drogiges Rumgehänge: abgefuckte Szene. Die Mädchen guckten. Die Jungs guckten extra nicht. Ein Junge schlug einem Mädchen mit der Faust auf die Schulter. Sie sagte »Aua«, obwohl es offensichtlich nicht besonders wehgetan hatte. Der Junge zog das Mädchen zu sich auf den Schoß. Wir bestellten noch eine Runde.
Ich fragte die Jungs, wie es mit Frauen in Oberhavel aussehe. Ob es hier Frauen gebe. Was das für Frauen seien. Ich fragte: »Frauen, habt ihr so was? Ich meine: Kennt ihr Frauen?«
Der Reporter musste im Folgenden erklären, dass eins der Klischees, für die der Osten im Westen bekannt sei, neben der Arbeitslosigkeit und den Neonazis die Abwanderungder Frauen sei. Die Frau, die nicht voll blöd sei und etwas auf sich halte, die kehre der Kleinstadt gleich nach der Schule den Rücken und wandere nach Berlin oder nach Westdeutschland ab.
Rampa und Raoul wirkten überrascht.
Nö.
Das wüssten sie ganz anders.
Rampa erklärte: »Wir haben geile Weiber. Also …«
Raoul: »Hast du denn noch keine schicken Weiber bei uns gesehen? Es gibt eine Menge. Wir haben eigentlich immer schöne Freundinnen gehabt.«
Rampa: »Ich würde sogar sagen, dass Oberhavel – im Gegensatz zu anderen Städten in der Umgebung, wo nur die Einäugigen rumrennen – berühmt für seine Weiber ist.«
Raoul erklärte, dass er, Eric und Rampa derzeit keine Freundinnen hätten. Aber Crooner, der habe eine: Isabelle, Bella genannt, eine Süße. Die mache eine Lehre in Berlin. Und ihrem Freund Crooner mache sie, wenn der ein paar Abende am Stück nicht nach Hause käme, die Hölle heiß. Wie alle Freundinnen. Es sei manchmal schwierig, die Probenabende zu planen, weil Bella ihren Freund abends nicht von der Leine lasse.
Raoul: »Es sind in unserem Bekanntenkreis eine Menge Weiber dabei. Auch schicke. Auch ein paar todschicke.
Ist aber fast alles nichts zum Anfassen.«
Rampa: »Die Unantastbare gibt es in Oberhavel nicht.«
Raoul: »Es gibt zwei, drei Topfrauen.«
Rampa: »Und jede Menge Schlampen.«
Raoul: »Man kennt sich. Sagen wir mal so: Es ist hier bei uns, wo jeder jeden kennt, manchmal nicht einfach, die Freundin zu wechseln.«
Ich schob den Hut nach hinten.
Der Reporter wollte nachfragen, genau sein, neugierig sein, bissig sein. Reporter eben.
Es ging gegen ein Uhr. Wir hatten ordentlich getrunken. Es gab nicht mehr allzu viel zu fragen. Ich fragte nach: »Wie heißt die Topmaus von Oberhavel? Wo, Raoul, hast du hier zuletzt eine tolle Frau gesehen?«
Raoul fand’s dann auch wirklich eine ziemlich dämliche Frage. Er sprach lieber mit Rampa als dem Reporter. »Die Lidl-Verkäuferin ist ziemlich heiß. Schwarzes Brillengestell. Schwarze Haare. Einen Teil vom Haar immer hinters Ohr gepackt. Sie muss jung sein, 17 oder 18 Jahre alt. Sie kommt nicht von hier, sonst hätte ich sie schon mal woanders gesehen als beim Lidl. Ich habe mich nicht getraut, sie nach ihrer Telefonnummer zu fragen. Weeßte? Macht sich ein bisschen doof, wenn du eine Süße anquatschst und zwanzig Leute hinter dir an der Kasse stehen.«
Raoul wiederholte: »Ich kann sie nicht ansprechen.«
Warum konnte er sie nicht ansprechen?
»Ich muss damit rechnen, dass sie Nee sagt, und dann
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