Deutschboden
»Tachchen.«
Crooner, grinsend: »Tacho.«
Als Rampa mich vor der Schule mit ein paar Flaschen Mineralwasser aus dem Auto hatte steigen sehen, hatte er zur Begrüßung gesagt: »Na, du Spießer? Willst du abspülen oder was?« Ich hatte lachen müssen und das, natürlich, auch als herzliche Begrüßung verstanden.
Es wurde wieder ziemlich viel gesoffen (Wodka, Berliner Kindl, dazu gab es die guten Chips mit Bacon-Geschmack, die Tüte zu 40 Cent). Es musste dem Reporter jetzt, mit maximalem Einsatz, maximaler Emphase (keine Ahnung, wie wir darauf gekommen waren), begreiflich gemacht werden, wie widerlich, wie unten, wie asozial, wie absolut verachtenswert die Biersorte Siegfried Bier war. Siegfried Bier: das Bier für Asoziale, die populärste Biersorte im Osten. Siegfried Export: blauer Kasten, weißes Etikett, das Bier im Niedrigpreissegment. Eine Flasche Siegfried kostete 39 Cent, der Kasten sei für 6,20 Euro zu haben. Eric erklärte: »Merke dir, Siegfried Bier.« Raoul wiederholte, das Siegfried sei wirklich das Fieseste, Verpissteste, Verkotzteste, Allerletzte: »Ein Bier für Vollzeitarbeitslose, verstehst du, für asoziale Asoziale, für arbeitslose Arbeitslose, das trinken nur die, die von Beruf arbeitslos sind.« Ich glaubte Raoul, dass er nie, wirklich nie in seinem Leben eine Flasche Siegfried Export anrühren würde. Und Rampa erzählte, nicht ohneFreude und mit einem Fläschchen Berliner Kindl in der Hand, dass Siegfried natürlich das Hit-Bier am Pennertreff von Oberhavel, beim Getränkehändler gegenüber der Gaststätte Schröder sei: »Wo mehr als zwei Asoziale zusammenkommen, da wird das Siegfried frisch aus der Kiste genossen.«
Es musste von Erics und Rampas Lieblingsband Rancid geschwärmt werden (eine Mischung aus Punkrock und Ska, sonst schwer zu beschreiben), dann von Erics deutscher Lieblingsband Four Lyn aus Hamburg.
Raoul machte Sachsen-Witze: »Die Sachsen sind die Opfer schlechthin.« Dann versuchte Raoul, aus einem Plastikbecher zu trinken, während er beide Hände auf dem Rücken verschränkt hielt. Eric brachte die hübsche und harmlose Partyfrage auf, wie viele Säulen das Brandenburger Tor habe. Ratlosigkeit allerseits: Fünf Säulen, sechs oder zehn? Oder, Moment mal, zwölf Säulen? Die Lösung war auf dem Etikett der Biermarke Berliner Kindl abgebildet: sechs Säulen.
Eric erzählte davon, was er bei den Dreharbeiten von Black Death erlebt habe: Es sei, natürlich, obergeil gewesen. Er hatte eine Langhaarperücke, Lederstiefel, eine Lederweste und eine Axt tragen dürfen, sein Gesicht war mit Erde eingeschmiert worden, und dann hatte er, zusammen mit vier anderen Oberhavelern, einen aufknüpfen dürfen. Der Typ habe sich richtig gewehrt. Danach habe er als Leiche, die von Sean Bean weggemetzelt wurde, volle zehn Stunden herumgesessen und auf seinen Einsatz gewartet. Man habe dann leider doch nicht ihn, sondern einen anderen genommen, weil seine Tätowierungen, trotz Kostüm und Schminke, zu sehen gewesen waren (aus Rache und auch als Andenken an den Drehtag habe Eric ein T-Shirt von Sean Bean mitgehen lassen, das trage er jetzt, wenn er zu Hause in der Jogginghose herumhing).
Rampa bekam einen tierischen Wutanfall: Er hatte den Plan gehabt, in einer leer stehenden Fabrikhalle im Werk IVeine Paintball-Halle zu eröffnen und damit schnell einen Haufen Geld zu verdienen. Nun musste er vom Reporter erfahren, dass die Regierung – ausgelöst durch den Amoklauf von Winnenden, der sich im März ereignet hatte – erwog, die Sportart Paintball zu verbieten.
Rampa: »Watt soll die Scheiße? Paintball ist Grundausbildung Bundeswehr. Was machen die denn sonst? Bei der Bundeswehr habe ich Paintball gegen meine Ausbilder gespielt. Und gewonnen.«
Es enspann sich eine generelle Verachtungsrede auf die Medien, die, so Rampa, bei fast allen brisanten Themen der Gegenwart – Nazis, Kampfhunden, Videospielen, Paintball – im Dunklen tappten und immer nur mit Verboten reagierten. Rampa: »Bald ist es so weit, dass man auf der Playstation 3 nur noch Tetris spielen darf.«
Im Folgenden machte Rampa den Versuch, möglichst viele Sofakissen auf Erics Kopf zu balancieren. Beim Proben der Weezer-Nummer kam es in der Band zu heftigen Beschuldigungen, Beleidigungen, Anfeindungen. Vor allem Rampa und Crooner warfen sich gegenseitig eisenharte Schimpfwörter an den Kopf.
Neben mir auf dem Sofa hatte während der ganzen Probe ein langjähriger Kumpel der Band gesessen und sein
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