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Deutschboden

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Titel: Deutschboden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Uslar
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Marvel-Comic-Kappe. Auf seiner Kappe waren Szenen aus Spiderman abgebildet. Er war klein, dunkelbraun gebräunt, auftrainiert, im rechten Ohr trug er einen schwarzen, im linken Ohr einen weißen Clip. Das Gesicht von Marcin war ein einziges Grinsen.
    Raoul sagte im Vorbeigehen über seinen Kumpel: »Außer Eisfressen, Autofahren und dusselig durch die Gegend labern will der nüscht.« Und er, Marcin, revanchierte sich gleich mit einem Faustschlag auf Raouls Schulter. Und auf den Zehenspitzen stehend, in den Knien federnd, die Ellbogen an die Hüften gelegt, die Handknöchel aneinander reibend, stand Marcin vor dem Reporter und wusste auch nicht und konnte einfach nur strahlen, weil er so viel Kraft, so viel Übermut, so teuflisch gute Laune hatte.
    Der Reporter verstand gleich, dass dieser Marcin enorm unter Druck stand. Mehr noch als die anderen Jungs wollte Marcin Gags reißen, Sprüche klopfen, hammerharte Sätze heraushauen, die besser trafen, genauer saßen, schärfer stachen, schneller auf den Punkt kamen, als die Gags und Sprüche der anderen Jungs das konnten. Dieser Marcin trug eine herrliche Ungeduld in sich. Es war, als hätten sich in ihm, jahrein, jahraus in der Kleinstadt, eine Lust, ein Durst, ein Hunger angestaut, die ein einziger Abend an der Tankstelle, und sei er noch so überdreht, so irre, so abgefahren, nicht stillen konnte. Es war, so las das der Reporter im von der Kappe bis zu den Turnschuhen gespannten Auftritt des Marcin, nicht weniger als die klassische Lust auf mehr – mehr Sex, Krawall, Lautstärke, Geschwindigkeit, PS –, aus der einst, ganz früher einmal, also vor gut fünfzig Jahren, in den Kleinstädten und an den Tankstellen Amerikas, der Teenager entstanden war, der Halbstarke, der Rebell without a Cause. Diesem Marcin ging es, das sah der Reporter, um gar nichts, außer darum, dass es heute Abend, am besten jetzt gleich, noch einen Donnerschlag tat.
    Yeah.
    Grinsender Marcin.
     
    Er trat zum Olympus-Stift des Reporters hin und diktierte, von einem Schuh auf den anderen tretend, in schnauzendem, bellendem, überschnappendem Brandenburgisch, dem Reporter die Stichpunkte ins Gerät, die die Umrisse einer Biografie ausmachten: 1988 geboren, seine Lehre zum Heimerziehungspfleger in Rathenow und Templin hatte er nach einem Jahr geschmissen. Derzeit arbeitete er Strafstunden in einem Kindergarten ab. Die Kinder, so Marcin, liebten ihn, weil es bei ihm immer was zu grinsen, immer was zu lachen gebe. Was er später mal arbeiten wolle, das könne er jetzt auch noch nicht sagen.
    Seine eigentliche Leidenschaft aber, so Marcin, sei natürlich sein Auto. Und fast widerwillig, weil dieses Auto wohl wirklich sein Ein und Alles war, zeigte Marcin auf einen schwarzen Polo mit roten Sitzschalen. Die Rücksitze des Polos waren herausgerissen.
    Selbstverständlich würde Marcin mit seinem Polo zum Viertel-Meilen-Rennen in Großdölln antreten, so wie seine Kumpel André und Sergej selbstverständlich mit ihren Focus RS zum Viertel-Meilen-Rennen in Großdölln antreten würden. Eine 13-Sekunden-Zeit sei selbstverständlich. Eine 12er-Zeit sei, sofern sein Turbo nicht aussetze, machbar. »Watt soll ich dir erzählen?«, fragte Marcin. Er legte eine Hand auf das Dach seines Wagens. Und mit leiser Stimme sagte der Autotuner ein paar Verse der international gebräuchlichen Autotuner-Lyrik auf:
    »Ditt ist ein Polo 6 N mit einem Eins-Achter-Turbo, der kommt aus einem Audi. Derzeit sind es 230 PS. Der Motor wurde schräg eingebaut, weil er sonst nicht reingepasst hätte. Batterie musste in den Kofferraum verlegt werden. Türpappen raus, Karbonplatten rein. Jetzt haben wir noch mal zweihundert Kilo rausgerissen, so kommen wir auf neunhundertachtzig Kilo Leergewicht. Toyo-Proxes-T1-R-Reifen. Sparco-Schalensitze. 4-Punkt-Gurte. Am Motor ist ein Chip drauf. Ende des Jahres geht’s noch mal richtig ab, da gibt’s noch mal eine Leistungsspritze. Bei um die 400 PS wollen wir dann landen.« Auf dem Heck des Polos, so sah der Reporter, klebte ein schöner »Anfänger«-Aufkleber.
    Der Polo, so erzählte Marcin, sei auf seine Oma zugelassen, die Umbauten habe ihm die Mutter bezahlt. Was kostete so ein Wagen, so wie er da stand?
    Raoul kommentierte: »Eigentlich hat er mehr rausgerissen, als er reingesteckt hat.«
    Marcin: »1000 Euro hängen da auch schon wieder drinnen. Das zahlt aber zum Glück alles Mutti.« Der Polo-Fahrer sprach hinter vorgehaltener Hand: »Du musst da natürlich bisschen mit Ausreden

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