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Deutschboden

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Titel: Deutschboden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Uslar
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der Kleinstadt die Fingernägel schwarz lackierte, der grübelte eben auch gerne nach, der wollte mehr wissen, wollte ein bisschen nachdenklich sein. Eric: »Die Jungs, verstehst du, haben die DDR nicht mehr miterlebt. Aber Rampa, Raoul und ich, wir kommen von früher. Wir haben das alte Deutschland noch mitgemacht.«
    Ich notierte, dass die DDR des Eric, der im Jahr 1984, also fünf Jahre vor Mauerfall geboren worden war, ein Land war, dass noch einmal ausführlich besprochen werden wollte.
     
    Es ging mit den Jungs, mit Raoul, Eric und einigen anderen, in das Haus der Tankstelle hinein: sich da ein bisschen an die Stehtische stellen und einen auferzählen. Die zwei Stehtische, das verstand der Reporter, waren eigentlich Mülleimer mit einer Tischfläche darüber. Keiner kaufte etwas. Hinter der Kasse stand eine ganz süß aussehende Maus mit einem weinroten Pony in den blond gefärbten Haaren, sie hatte betont gleichgültig weggesehen, als die Gang den Verkaufsraum betreten hatte. »Mandy«, sagte Raoul und nickte mit dem Hinterkopf zu ihr, der Frau an der Kasse, hin. Mandy kannte die Jungs, so viel war klar. Zwei schnappten sich die Bild – Zeitung, blätterten darin herum und legten sie in das Zeitungsregal zurück. Auf den Tischflächen lagen Flyer aus: das große Touringtreffen, präsentiert von der KFZ – Werkstadt Auto M. Burdinski, am Flugplatz in Großdölln; die zweite Brandenburger Schnitzelmeisterschaft im All-You-CanEat-Restaurant Larifari in Liebenwalde.
    Zum Touringtreffen fuhren sowieso alle hin: QuarterMile-Rennen, Drifting Shows, Erotic Car Wash, Pflichttermin. Am Viertel-Meilen-Rennen, bei dem es darum ging, möglichst gut, wie gesagt wurde, aus dem Quark zu kommen, mit dem in der Startbox stehenden Auto also einen möglichst furiosen Start hinzulegen und die Strecke von gut vierhundert Metern (exakt 402,36 Meter) in möglichst kurzer Zeit herunterzubrennen, würde jeder Fahrer eines Oberhaveler Autos mit 150 oder mehr PS, also praktisch jeder junge Mann aus Oberhavel, teilnehmen. Die Schnitzelmeisterschaft, so erfuhr der Reporter, war das andere Riesending, der zweite gesetzte Termin im Sommerkalender der Kleinstadt. Zwanzig, dreißig Jungs nahmen an einer Festtafel im Restaurant Larifari Platz; dann ging es simpel darum, so viel paniertes Schnitzel wie nur irgend möglich in sich hineinzufressen. In der Startgebühr von 25 Euro war ein Liter Bier zum Nachspülen enthalten, dem Sieger winkten 200 Euro, demzweiten Platz einhundert, dem dritten 50 Euro. Im letzten Jahr hatte Fred mit 1,3 Kilo den ersten Platz belegt, in diesem Jahr, so Raoul, würde sich die Tankstelle praktisch geschlossen anmelden, man wolle alle drei Plätze heim nach Oberhavel holen.
     
    Die Gang ging nun, weil geraucht werden musste, geschlossen nach draußen und stellte sich vor das »Feuergefahr: Rauchen, Feuer, offenes Licht polizeilich verboten«-Schild.
    Ob es hier, so gleich neben dem Schild, das vor offenem Feuer ja ausdrücklich warnte, nicht doch gefährlich sein könnte zu rauchen, wollte der Reporter wissen. »Nicht doch«, erklärte Raoul, »das ist ja hier nur ein 20000-Liter-Benzintank, auf dem wir draustehen. Das ist alles ausreichend abgedichtet.«
    Die Architektur der scheinbar zufällig, aber eben doch in einer höheren Ordnung zueinander geparkten Autos – einer Choreografie der Motorhauben, Spoiler, Schutzbleche, der Autotüren und Scheinwerfer. Ich verstand die Ordnung nicht. Aber ich sah doch, dass man hier sein Auto falsch und richtig, glücklich und weniger glücklich parken konnte.
     
    Autoaufkleber »Mädchen & Motoren«.
    Autoaufkleber »No Fat Chicks«.
    In einem Opel lag eine Papptafel mit der Aufschrift »Hauptschule 2017« hinter der Heckscheibe.
     
    Zwei Jungs mit Marvel-Comic-Kappen. Einer spielte mit einer Spiderman-Figur, die sich aufziehen ließ und sich an der Karosserie festhalten konnte. Da stand zwischenzeitlich auch mal ein Typ mit der rätselhaften Runenschrift-T-Shirt-Botschaft »Pommern Niemals Knecht« dabei. Die Jungs rauchten, stellten ihre Schuhe auf die Reifen, öffneten Kofferräume, schlossen Kofferräume, starteten ihre Wagen, fuhren zwei Meter weit, drehten den Motor erneut ab. Und: neue Sprüche, neue Gags, neue Zigarette.
     
    Jungs fuhren ab, und neue Jungs kamen dazu, parkten ihre Wagen, sprangen heraus, ließen die Wagentüren zufallen, begrüßten jeden einzelnen mit Handschlag, rauchten eine, quatschten rum, blieben noch auf eine Zigarette und auf noch zwei

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