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Deutschboden

Deutschboden

Titel: Deutschboden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Uslar
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arbeiten. Ich habe ihr zum Beispiel erzählt, dass mein Turbolader den Arsch hochgerissen hat und ich deswegen einen neuen Turbolader brauche. Da wurde dann gleich ein größerer bestellt.«
    Der Reporter konnte zu dieser Erzählung nichts anderes als »wunderbar« sagen, da er ja nichts verstand. Als spürte er, dass das Autothema damit erledigt sei und als gälte es, den Reporter ein bisschen zu erschrecken, haute Marcin, mehr in Richtung von Janine als zum Reporter, etwas zu einem ganz anderen Thema heraus – wieder mit dem unvergleichlichen Marcin-Strahlen im Gesicht: »Heute früh aufgewacht, gleich einen runtergeschrubbt, wieder eingeschlafen, da stand das Ding schon wieder, als ich aufwachte.« Sie, Janine, lächelte nachsichtig.
     
    Dann standen wir immer noch bei Aral.
    Ein Stunde.
    Noch einmal zwei Stunden.
    Gegen neun Uhr abends: die Stunde, in der es dunkel wurde.
    Es war eine Woche vor dem längsten Tag des Jahres, Sommerwende, jenem Junitag, an dem die Sonne um
    21:32 Uhr untergehen würde – als es, noch einmal, für gut eine halbe Stunde ruhig wurde und die Langeweile neu ausbrach.
    Es wurde zu den Zigaretten mit dem Dosenbier-Trinken angefangen. Einige Jungs tranken aus Flaschen, auf denen Smirnoff Ice oder Bacardi Breezer Tropical Orange stand. Janine stand da, rauchte, trank aus einer Flasche mit der Aufschrift X-Plosiv. Sie sah so aus, als ob sie es so, rauchend, trinkend, herumstehend, noch ein paar Stunden aushielt.
     
    Eine Herausforderung für die Blicke – vor allem jetzt, im schönen Rot des Frühsommerabends – war die Wiese, die sich von der anderen Straßenseite bis zum Städtchen erstreckte. Herausforderung deshalb, weil die Wiese so malerisch nach nichts, nach Land, nach Licht-Aus, nach Endstation Sehnsucht aussah. Am Horizont der rotgolden leuchtenden Wiese glühten die Lichter der kleinen Stadt.
     
    Gerüchte, welcher Investor die große Wiese an der Tankstelle kaufen wollte: McDonald’s, so wusste einer, sollte kommen. McDonald’s, so André, wäre für das Städtchen natürlich der Hauptgewinn. Rossmann sollte demnächst neben Lidl eröffnen, das, so Janine, wäre für die Mädchen natürlich schön.
    Raoul: »Hier kommt niemand mehr.«
    Fred stand mit einem mit Käse überbackenen Baguette von der Aral-Petit-Bistro-Karte da: »Schmeckt so, wie es aussieht.« Der Snack, mit dem die Jungs sonst von Zeit zu Zeit aus dem Tankstellenhaus herauskamen, bestand aus einem hellen Brötchen mit Ketchup, das auf einem Pappendeckel lag: »Schmeckt gut, macht satt.«
    Marcin zeigte in den sternenklaren Abendhimmel über der Tankstelle: »Mensch, morgen soll ditt ooch schon wieder dreißig Bolleros geben. Haben sie in den Nachrichten gesagt.«
    Einer sagte: »Nach Kaiser’s.«
    Ein anderer: »Wir gehen eine Stadtrunde drehen.«
    Der Nächste: »Wir fahren mal nach der B1.«
    Noch einer zählte, aus welchem Grund auch immer, Ost- Produkte auf, die es, obwohl aus dem Osten, im Westen geschafft hatten: Bautz’ner Senf, Spreewaldgurken, Rotkäppchen-Sekt, Ernte 23. Moment, Ernte 23 kam aus dem Westen.
     
    Jetzt musste kurz mal wieder, weil das immer funktionierte, etwas einwandfrei Rassistisches oder Fremdenfeindliches gesagt werden. O-Ton: »Gut, dass wir hier in Oberhavel keine Türken haben. Aber bei den Schlitzaugen weißt du auch nicht. Die vermehren sich wie die Fliegen.« In selber Runde fiel der Satz: »Man wird doch wohl noch mal ein paar ordentliche Judenwitze erzählen dürfen …« Da waren dann in der Runde wohl ein paar ordentliche Judenwitze erzählt worden, was der Reporter, Gott sei Dank, nicht mitbekommen hatte.
    Marcin zeigte auf eine Frau, die mit ihrem Wagen mit großer Umsicht und Langsamkeit aus der Tankstelle herausgekrochen kam: »Mensch, die wieder: die Schnecke. Die fährt bei dreißig fünfundzwanzig. So was kann ich ja auf den Tod nicht ab.«
    Ein Typ erzählte Wissenswertes zu den Tunnel genannten Plastikröhren in seinen Ohren: Bei bis zu 22 Millimeter Durchmesser, so der Typ mit den Tunnel-Ohrringen, wuchsen die Ohrlöcher wieder zu. Er konnte die Tunnel aus den Ohrläppchen herausnehmen und wieder reinstecken, wie ein Kaugummi in den Mund.
     
    Ich fragte Eric, wo eigentlich Rampa stecke an so einem Abend; und warum unser Freund Rampa bei so einem brillanten Aral-Abend nicht dabei war. Eric: »Der sitzt bestimmt zu Hause vor der Playstation. Der ist nie dabei, wenn wir das Aral-Ding durchziehen. Der Rampa, sagt er selber, ist zu alt für so einen

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