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Deutschboden

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Titel: Deutschboden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Uslar
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musste er auf den Zug um 4:20 Uhr. Er machte drei Mal die Woche Krafttraining. Dieser André war, so Eric, für seine einundzwanzig Jahre ein auffällig aufgeräumter und erwachsener Charakter. Andrés Freundin hatte Fachabitur, sie suchte derzeit Arbeit als Bürokauffrau.
    Sergej: der Hübsche, der andere mit einem Ford FocusRS (255 PS). Er arbeitete als Kellner in einem nahe gelegenen Vier-Sterne-Hotel. Ebenfalls ein aufgeräumter, netter Kerl. Über seine gut aussehende Freundin wusste Eric wenig. Kessel: Das war der, der doch kein Ed-Hardy-T-Shirt trug. Hatte als Fachkraft in einer Firma für Lagerlogistik gearbeitet; bis die Firma keine Arbeit mehr für ihn hatte, weil die Aufträge weggebrochen waren. Jetzt lebe Kessel von Hartz IV. Er sei, so Eric, auch ein extrem zuverlässiger und netter, für jeden Scheiß zu habender Kollege.
    Laudi: hatte Fachabi. Studierte jetzt Bauingenieur in Blankenburg. Technik-Freak, Auto-Freak, ein helles Kerlchen. Kein eigenes Auto. Fuhr BMX – Rad. Lebte noch zu Hause, von Kindergeld und vom Unterhalt der Eltern.
    Atze: der mit dem Ford Puma, der übers Wochenende den Kumpel in Neukölln besucht hatte. Er arbeitete bei Edeka in Berlin-Reinickendorf. Den Puma habe Atze gebraucht gekauft, 4000 Euro. Noch mal 2000 hineingesteckt. EinsSiebener-Motor, neues Fahrwerk, neue OZ – Felgen, neue Innenausstattung, Sportsitze aus Leder, 127 PS.
    Schubi: schon älter, etwa dreißig Jahre alt. Er war seit Jahren bei der Marine, im Einsatz bei den Piraten in Dschibuti, auf Patrouillenfahrt am Horn von Afrika, auf Geleitschutz für die US – Truppen in Gibraltar. Zuletzt war Schubi in Zypern stationiert: Waffenschmuggel-Kontrollfahrten. So einen Job, so Eric, das wisse er von Schubi, den könne man natürlich nicht ewig machen. Schubi mache deshalb derzeit über die Bundeswehr eine Ausbildung als Erzieher. Schubert, nicht zu verwechseln mit Schubi: Er spielte bei Eintracht Schwerin in der sechsten Liga Fußball (150 Euro im Monat plus Siegprämien). In Oberhavel habe erFenster-Einsetzen gelernt und sei nun in Schwerin als Facharbeiter angestellt. Schubert fuhr einen neuen Golf. Er kam oft einen ganzen Monat nicht nach Hause, aber wenn er hier bei seinen Jungs in Oberhavel sei, dann gebe er Gas.
    Auch über Janine konnte Eric ein bisschen was erzählen: Janine, das sei die, die vorhin neben Raoul gesessen hätte, richtig, die mit dem aufwendigen Style. Diese Janine, so Eric, sei früher mal ziemlich dick gewesen, aber dann habe sie tierisch abgenommen und sehe jetzt ziemlich gut aus. Sie arbeite als Kosmetikerin und Friseuse in einem Dorf bei Oberhavel, das sei ein harter Job: kaum Geld, viel Arbeit. Diese Janine, das könne er sagen, sei eigentlich wie ein Junge, so gut sei man mit der befreundet. Janine: immer lustig, immer mit dabei, ein echter Freund. Ich fragte Eric, warum alle diese Freunde so komplett anders waren als er, sein Bruder und die Jungs in der Band. Er sah mich an durch seine Sonnenbrillengläser. Er war überrascht. Auch amüsiert. Ihn interessierte die Frage.
    Eric: »Sind die so anders?«
    Ich bestätigte: »Die sind völlig anders. Ja.«
     
    Eric lenkte den Astra auf die Aral-Tankstelle, wo er neben dem Puma und den zwei Focus RS am Mäuerchen, gleich vor dem Schild mit der Aufschrift »Feuergefahr: Rauchen, Feuer, offenes Licht polizeilich verboten«, zu stehen kam.
    Eric erklärte: »Ich glaube, das liegt daran, dass diese Jungs jünger sind als wir.« Er, Eric, sei 25, André, Fred und die anderen seien 20 und 21 Jahre. Es seien nur drei, vier Jahre Unterschied, aber diese Jahre machten viel aus.
    Er stieg aus, legte seine Sonnenbrille aufs Autodach, stand hinter der geöffneten Autotür. Beim »Super Wash«Schild, wo noch einige Autos geparkt hatten, hingen noch einmal an die zwanzig Jungs herum, die zuvor nicht im Eiscafé gesessen hatten, sie tranken, rauchten, sahen zu uns herüber. Der Reporter bemerkte, dass über dem U und A des »Super Wash«-Schildes je zwei kleine Pünktchen geklebt waren. Da stand nicht »Super Wash«, sondern »Süper Wäsh«. Ein kleiner Anschlag: Humor der Jungs von der Aral-Tankstelle.
    Eric wollte noch etwas sagen. Ich sah, dass die leichte Anstrengung im Kopf etwas war, was ihm Freude bereitete, das Nachdenken lag ihm, bloß bekam Eric die Dinge, die in seinem Kopf waren, manchmal nicht in Worte gefasst und ausgespuckt. Seine abgeblätterten Fingernägel. Ich dachte: Ihr dummen Klischees, ihr seid doch alle wahr. Einer, der sich in

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