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Deutschboden

Deutschboden

Titel: Deutschboden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Uslar
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englischsprachige Worte in den linken Unterarm hinein stechen, klein, wie mit Kugelschreiber geschrieben. Schraube erklärte: »Du musst damit leben, nicht ich.« Mit der frischen Tätowierung im Arm fuhr ich zu Kaiser’s,kaufte fünf große Steaks und eine Flasche Whisky. Einen herrlich faulen und langen Abend lang saßen wir auf der sogenannten Schleusner-Insel, einem malerischen Kleinod, das seit Generationen im Besitz von Raouls und Erics Familie, umflossen von der Havel, mitten in der Kleinstadt lag. Auf der Insel standen Kirsch- und Apfelbäume, watschelte eine Entenfamilie, grasten Schafe.
    »Ditt ist Fleisch«, sagte Raoul, als die Entrecotes auf den Papptellern lagen.
    Eric: »Das ist das erste Mal, dass ich so was Teures fresse.«
    Wir grillten, soffen, Crooner holte Plötzen aus der Havel, die er wieder ins Wasser warf, weil sie ihm zu mickrig vorkamen, Raoul rieb die tätowierte Stelle auf meinem Arm mit Fettcreme ein.
     
    Mit Raoul fuhr ich in diesen Tagen in die Spielothek nach Gransee. Als wir das Auto parkten, erklärte Raoul noch einmal, wie tot, wie widerlich, wie verkommen, wie absolut zu vernachlässigen das ihm verhasste Nachbarstädtchen Gransee sei.
    In der Spielothek: abgeklebte Scheiben, kaum Licht. Die Brumm-, Surr-, Klingel- und Klopfgeräusche der Maschinen, die Big Jackpot und Hot Cherry hießen. Ohne etwas zu begreifen sah ich dem Rotieren der Kirschen, Erdbeeren, Zitronen, Pflaumen, Glocken und Sonnen zu. Einmal stand der Jackpot auf über eine Milliarde Punkten. Von Raoul fielen die Worte: »Punkte rüberbuchen … hundertfacher Level … gesetzlich vorgeschrieben … Hardcore … verkackt.« Wir saßen auf Barhockern mit Plastiklederpolstern. Gleich hinter uns standen zwei 90-Kilogramm-Skinheads in roten Trainingsanzügen. Raoul bedientedrei Automaten gleichzeitig. Nach zwei Stunden hatte er den Einsatz von 20 Euro wieder drinnen. Tatsächlich, das Spiel, das von Alkoholikern und sonstigen Hirntoten in ganz Deutschland mit links bedient wurde, war für den Reporter nicht zu durchschauen.
    Fazit Raoul: »Plus/minus null, und das nach zwei Stunden Spielhölle, das kann sich sehen lassen.« Auf der Rückfahrt durch die schmuck renovierte Altstadt von Gransee sahen wir jungen Menschen mit spektakulären Sprüngen die Briefkästen von Hauseingängen heruntertreten, und Raoul, am Steuer des Fiat 500, trat das Auto im zweiten Gang auf achtzig Stundenkilometer rauf.
     
    Mit Blocky verbrachte ich einen großartigen Abend im Gasthaus zur Alten Eiche am Marktplatz. Noch einmal: eine ganz eigene Welt mit eigener Sprache, eigenen Gags, eigener Trinkkultur und einer eingeschworenen Gang von Stammgästen, die Abend für Abend in die Alte Eiche kam. Wie Rampa erklärt hatte: Bei Schröder traf sich ganz Oberhavel, in der Eiche fanden sich die ein, die manchmal, besonders gegen Ende des Monats, wenn das Geld wieder knapp wurde, ein bisschen wehmütig darüber wurden, dass es die DDR nicht mehr gab.
    Witztafeln an den Wänden, Galgenhumor à la Ost: »Wir sind übern Berg. Jetzt geht es bergab.« Wirt Bodo, der vor Schankschränken stand, die fünf Jahrzehnte alt sein mochten, erklärte: »Hier ist noch alles Original-DDR.« Er sagte es mit Stolz und mit einem Augenzwinkern. Er trug eine Weste aus braunem Leder, an die zwanzig, dreißig Sticker geheftet waren: Deutschlandfahne, die aufgehende Sonne der FDJ, Superman, Hertha BSC, Hansa Rostock, FC St. Pauli.
     
    Als Blocky und der Reporter sich am Tresen setzten, konnten wir in den Hinterräumen die Stammgäste rumoren und Poker spielen hören, Jeanstypen, Typen also, die zu Jeanshose und Jeanshemd eine Jeansjacke trugen, Typen mit Stirnbändern, Vollbärten und Schlapphüten, sogar einer mit Augenklappe war dabei.
    Bodo, grinsend: »Im dritten Hinterzimmer sitzen sie auch. Aber da ist es richtig gefährlich.«
     
    »Schöne Molle für dich, Stadtmensch?«
    Blocky bestellte, er wollte, dass es mir hier gefiel, er hatte wie immer Sorge, dass der Reporter nicht genug trank, aber ich konnte ihn beruhigen. Ich war ganz dafür, mich hier noch einmal festzutrinken. Ich wollte Bodo, den Wirt der Alten Eiche, erzählen hören.
     
    Ich zeigte auf ein gottfried-helnwein-artiges Gemälde, auf das Bodo von seiner Theke aus blickte. Mit Airbrush-Technik gemalt, zeigte es das Konterfei eines Siebzigerjahre- Rockers: offenes Jeanshemd, rote Haut, Schmalztolle, Schnauzbart, Zahnstumpen, sagenhaftes Siegerlächeln, Zigarette im Mundwinkel. Wer war denn das?
    Bodo:

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