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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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beeinflußt, stellten nun St. Simon, der Graf, und Fourier, der einfache Kaufmannssohn, ihre Theorieen auf, und entwickelten sie ihre Beglückungs-Systeme, ohne dabei auf das Bestehende die mindeste Rücksicht zu nehmen; aber wie fremdartig und seltsam uns auch ihre Vorschläge berühren mögen, es beseelt sie doch ein aufrichtiger Trieb die Menschheit zu fördern, namentlich aber den Armen und Unterdrückten zu einem leidlichen Dasein zu verhelfen. Sie richteten demgemäß ihr Augenmerk besonders auf den
vierten
Stand, der zum großen Theile besitzlos, und auch politisch noch ganz rechtlos, der Willkühr des Arbeitgebers, in so weit er aus Arbeitern bestand, sollte entzogen, und ihm ein menschenwürdiges Dasein bereitet werden. Zugleich sollte er durch politische Rechte die Möglichkeit erwerben, in eigner Sache mitzureden, oder sich doch wenigstens vertreten zu lassen. – Es darf dabei nicht unerwähnt bleiben, wie der Mangel an Arbeitern, den wir heute kennen, sehr neuen Datums ist; damals und noch lange nachher gab es, namentlich in den größeren Städten, ein bedeutendes Proletariat, das entweder keine, oder eine sehr schlecht lohnende Arbeit fand, und auch der Bauer führte im Durchschnitt ein gar klägliches Leben, verfolgt von Noth, Theurung, Mangel an Absatzquellen und drückenden Auflagen. Handel und Gewerbe waren nicht weniger eingeengt – mit einem Worte, ein Menschenfreund fand Veranlassung genug zu dem Wunsche, die Welt um sich her neu zu gestalten. –
    Fourier war der Sohn eines wohlhabenden Tuchhändlers aus Besançon, aber er sank selbst bis zur bittren Noth und Armuth herab durch die Bemühungen, welche er im Dienste der Menschheit, für die ihn eine tiefe Liebe erfüllte, machte. Er zuerst sprach den Gedanken der
Association
, der
Vergesellschaftung
aus, aber umhüllt von einem Gallimathias, der ihm mit Recht den Namen eines Narren zuzog. Ich darf mich hier kaum mit einer ausführlichen Darstellung seines Aufbaues einer besseren Welt, in welcher nach seiner Berechnung der Menschheit beschieden sein solle 80,000 Jahre lang zu leben, aufhalten. Von diesem Zeitraum kamen nach Fourier's Berechnung 5000 Jahre auf die Periode der Kindheit, in welcher wir uns noch befinden, 70,000 Jahre gehörten der glückseligen Zeit an, der
Harmonie
, die in sieben Abtheilungen zerfällt, und ihren Höhepunkt erst in der sechsten und siebenten erreicht. Die letzten 5000 Jahre sind dann die des Alters, der Hinfälligkeit, mit welchen die gesammte Menschheit dem Tode entgegengeht. Während der Harmoniezeit werden die verschiedenen Leidenschaften, die das treibende Element für das Menschenherz ausmachen, sich mit der
Arbeit
verbinden, und da diese Arbeit den Neigungen jedes Einzelnen entsprechen soll, werden Wunder von Fleiß, Verträglichkeit, Glück und Reichthum dadurch hervorgebracht werden. Wie zur Arbeit, vereinigt man sich auch zum Zusammenleben und Vergnügen, nach Wahl und Neigung, in größeren und kleineren Haushaltungen, den sogenannten
Phalanstères
. Der erste Grund zur Harmonie wird durch die
Erziehung
gelegt; zuerst müssen die Kinder aller Stände die niedrigsten Arbeiten verrichten lernen, Unrath wegschaffen und dergleichen mehr. Sie werden entschädigt durch die
Oper
, die sie selber darstellen; diese soll für sie eine Art von religiöser Uebung sein und die gleichmäßige
Körperbildung
zu allen jenen Geschäften entwickeln, die später eine harmonische Seele leisten muß, und wie es scheint, ist es diese Art von Oper, die dem berühmten
Richard Wagner
, als das Kunstwerk der Zukunft, vorschwebt. Von der Oper kommen die Kinder dann in die Küche, wo man den mächtigsten Sinn derselben »die Schleckerei« ausbildet, »die Gottheit aller Kinder«, damit sie lernen sich für feine Unterscheidungen zu passioniren.
    Unsre Kinder würden ganz gewiß gegen diese letztere Art der Geschmacksausbildung auch nichts einzuwenden haben, wir aber mögen an dem Wenigen, was ich Ihnen angedeutet, schon erkennen, wie unter diesem Unsinn die Idee der gemeinsamen Verbindung, zum Zwecke der Förderung äußerer Lebensbedingungen bereits angedeutet ist. Auch die Frauen spielen in Fourier's harmonischem Weltgebäude eine hervorragende Rolle, sie werden dort sogar politischer Rechte theilhaftig und sollen wahlberechtigt sein, und so sehen wir in den verschiedendsten Richtungen bei ihm schon Andeutungen, welche Zukunftsfragen enthalten. – Die Ehe achtete er gering wie St. Simon auch, was sich durch die Art der

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