Deutsche Geschichte
einzelnen Wachen „Schutzstaffeln“, kurz SS. Wenn von „der SS“ gesprochen wird, ist gewöhnlich die Gesamtheit aller Staffeln und ihre Organisation gemeint, deren eigentliche Geschichte mit der Ernennung Heinrich Himmlers zum Reichsführer (RFSS) am 6.1.1929 begann. Er steigerte die Mitgliederzahl auf 52 000 bis Ende 1932, baute einen Sicherheitsdienst (SD) auf und machte die SS so zu einer Art Parteipolizei. Im ersten Jahr nach der Machtergreifung wuchs sie auf über 200 000 Mann, übernahm die Bewachung der KZ und spielte bei der Mordaktion während der Röhm-Affäre die Hauptrolle. Das brachte ihr die Emanzipation von der SA-Führung und die Aufwertung zur „selbständigen Organisation“ der NSDAP (20.7.1934)
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So sah es das Ausland: Karikatur der französischen Satirezeitschrift „Le Charivari“ (Spektakel) vom 11. Juli 1934; Hitler als „Schlächter von Berlin“ nach der Mordaktion gegen die SA-Führung
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(c) akg, Berlin: S.
Ausgegrenzt
„Die Nürnberger Gesetze“ – Diffamierung und Verfolgung der Juden (1933–1935)
Hitler hatte mit seinen ständigen Ausfällen gegen „die Juden“ nicht nur Propaganda getrieben. Er meinte es bitter ernst, wie der 1. April 1933, ein Sonnabend, bewies: Wie drei Tage zuvor in der Regierung beschlossen, zogen um 10 Uhr SA-Wachen vor den oft mit Schildern und Schmierereien markierten jüdischen Geschäften und Praxen von Anwälten und Ärzten auf, um etwaige deutsche Kunden zu „warnen“. Wer darauf nichts gab, musste mit Belästigungen oder Schlimmerem rechnen. Die Aktion wurde als Reaktion auf angebliche jüdische Übergriffe und Boykottaufrufe gegen deutsche Waren im Ausland ausgegeben und entsprechend von einem „Zentralkomitee zur Abwehr der jüdischen Greuel- und Boykotthetze“ in München geleitet. Da die Reaktion der Bevölkerung eher ablehnend ausfiel und die Kommentare der internationalen Presse politischen Schaden befürchten ließen, wurde der Boykott in der folgenden Woche nicht fortgesetzt.
Arierparagraf
Das hieß aber beileibe nicht, dass die neue Staatsführung in ihrer antisemitischen Dynamik gebremst wurde. Im Gegenteil: Schon eine Woche später erging das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“, das einen so genannten Arierparagrafen enthielt, der Juden aus dem Öffentlichen Dienst ausschloss. Nur weitere zwei Wochen danach wurde „empfohlen“, Juden aus öffentlichen Schulen zu entfernen und sie nicht an Universitäten zuzulassen – wegen angeblicher „Überfüllung“ dieser Einrichtungen. Der Staat machte die Ausgrenzung vor, Wirtschaft und Verbände von Sport bis Industrie folgten dem Beispiel. Es bahnte sich ein völliges Berufsverbot für alle an, die nicht belegen konnten, dass sie „deutschblütig“ waren (siehe Kasten).
Ariernachweis
Seit April 1933 erwünscht, war seit Herbst 1935 für jeden deutschen Bürger der Nachweis vorgeschrieben, dass er/sie von keinem Eltern- oder Großelternteil „vollartfremden, insbesondere jüdischen Blutes“ abstammte. Da dieses Blut laboranalytisch nichts hergab, hielt man sich an die Religionszugehörigkeit. Nur wem der Nachweis mit Hilfe von Auszügen aus Taufregistern, Geburts- oder Heiratsurkunden gelang, war nach den Bestimmungen der Nürnberger Gesetze vollgültiger Reichsbürger. Zur Aufnahme in die NSDAP und ihre Gliederungen musste ein „großer“ Abstammungsnachweis sogar bis ins Jahr 1800 erbracht werden. Es entstand ein ganz neuer Berufszweig der Sippenforscher, die gegen Honorar beim Beleg der „arischen“ Abstammung halfen; daher hieß die entsprechende Urkunde in der Umgangssprache auch „Ariernachweis“
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Die Nürnberger Gesetze
Auf dem „Reichsparteitag der Freiheit“ wurde am 15.9.1935 in Nürnberg die Freiheit eines Teils der deutschen Bevölkerung noch weiter eingeschränkt: Nach dem an diesem Tag verkündeten Reichsbürgergesetz waren Juden und andere Personen „nichtarischen Blutes“ künftig nur noch bloße Staatsbürger ohne politische Rechte im Unterschied zu den anderen Deutschen. Ein weiteres Gesetz war zum „Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ gedacht: Es verbot Eheschließungen zwischen Juden und „Deutschblütigen“ und sah für außereheliche intime Beziehungen zwischen solchen Personen als „Rassenschande“ Zuchthausstrafen vor. In den Rassengesetzen, zusammenfassend Nürnberger Gesetze genannt, wurde auch festgelegt, wer als Jude im Sinne der Gesetze zu gelten hatte: Neben den „Volljuden“ alle
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