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Deutsche Tugenden: Von Anmut bis Weltschmerz (German Edition)

Deutsche Tugenden: Von Anmut bis Weltschmerz (German Edition)

Titel: Deutsche Tugenden: Von Anmut bis Weltschmerz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asfa-Wossen Asserate
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schon die Rede, ebenso von den Vanitas-Gedichten von Gryphius. Mein Favorit freilich ist ein Gedicht von Friedrich Rückert, das von Gustav Mahler vertont wurde:
Ich bin der Welt abhanden gekommen,
Mit der ich sonst viele Zeit verdorben,
Sie hat so lange nichts von mir vernommen,
Sie mag wohl glauben, ich sei gestorben!
Es ist mir auch gar nichts daran gelegen,
Ob sie mich für gestorben hält,
Ich kann auch gar nichts sagen dagegen,
Denn wirklich bin ich gestorben der Welt.
Ich bin gestorben dem Weltgetümmel,
Und ruh’ in einem stillen Gebiet!
Ich leb’ allein in meinem Himmel,
In meinem Lieben, in meinem Lied!

Zivilcourage
    Z wölf Jahre lebte der Dichter Heinrich Heine bereits im selbstgewählten Pariser Exil, als er sich, getrieben von Vaterlandsliebe und Heimweh, im Herbst 1843 zu einer Reise nach Deutschland aufmachte. Aus jener dreimonatigen Fahrt, die «im traurigen Monat November» begann und ihn unter anderem nach Köln, Westfalen, Hannover und Hamburg führte, ging sein berühmtes Versepos Deutschland. Ein Wintermärchen hervor. In Aachen, der alten Krönungsstadt der römisch-deutschen Könige, traf er auf preußisches Militär im grauen Uniformrock mit aufgestelltem rotem Kragen und Pickelhaube auf dem Kopf. Die Verse, mit denen er die preußischen Soldaten bedachte, sind später viel zitiert worden:
    «Noch immer das hölzern pedantische Volk,/Noch immer ein rechter Winkel/In jeder Bewegung, und im Gesicht/Der eingefrorene Dünkel./Sie stelzen noch immer so steif herum,/So kerzengrade geschniegelt,/Als hätten sie verschluckt den Stock,/Womit man sie einst geprügelt.»
    Der «Helm mit Spitze», so die offizielle Bezeichnung für die Pickelhaube, war damals gerade erst in der preußischen Armee eingeführt worden. Seine charakteristische Metallspitze sollte vor allem dazu dienen, feindliche Säbelhiebe abzuwehren. Ein «königlicher Einfall von allergrößtem Witze», wie Heine befand: «Nur fürcht ich, wenn ein Gewitter entsteht,/Zieht leicht so eine Spitze/Herab auf euer romantisches Haupt/Des Himmels modernste Blitze.»
    Die Pickelhaube, bis 1916 als Standardhelm in Gebrauch, ist zum Inbegriff des Preußisch-Deutsch-Soldatischen avanciert. Es gab Zeiten, da wollten sich viele Franzosen oder Engländer einen Deutschen kaum anders vorstellen als in Uniform und mit Pickelhaube, im Stechschritt marschierend.
    Und es mangelt ja wahrlich nicht an Beispielen in der preußischen Geschichte für jene eigentümliche Liebe zum Soldatischen – angefangen von Friedrich Wilhelm I., dem Soldatenkönig, der das Heer als «meine einzige Freude» bezeichnete und sich nichts Schöneres vorstellen konnte, als seinen Soldaten dabei zuzusehen, wie sie über den Paradeplatz marschierten. Er, der als Inbegriff der Sparsamkeit galt, konnte doch Unsummen dafür ausgeben, sein Leibregiment der «Langen Kerls» zu komplettieren: Die Soldaten dieses Paraderegiments, das drei Bataillone zu je achthundert Mann umfasste, hatten mindestens sechs preußische Fuß – rund 1,88 Meter – groß zu sein. In ganz Europa waren die königlichen Anwerber auf der Suche nach solchen Großgewachsenen und kein Preis war Friedrich Wilhelm zu hoch, einen solchen anzuwerben. Der König selbst sorgte dafür, dass den «Langen Kerls» entsprechend großgewachsene Ehefrauen zugeführt wurden, und kam auch für deren Aussteuer auf.
    Auch dort, wo man es vielleicht gar nicht erwarten würde, stößt man bisweilen auf den preußischen Hang zum Militärischen, so etwa bei Friedrich Engels. Als dieser im Herbst 1841 in Berlin seinen Militärdienst als Artillerie-Offizier antrat, zeigte er sich von seiner Uniform höchst angetan: «Meine Uniform ist übrigens sehr schön», schrieb er seiner Schwester Marie, «blau mit schwarzem Kragen, an dem zwei breite gelbe Streifen sind, und mit schwarzen, gelbstreifien Aufschlägen nebst rot ausgeschlagenen Schößen. Dazu die roten Achselklappen mit weißen Rändern, ich sage dir, das macht einen pompösen Effekt …» Seinen Spitznamen «der General» erhielt Engels nicht aufgrund seiner soldatischen Haltung und seiner Fähigkeit zur straffen Organisation der Arbeiterbewegung, sondern wegen seiner zeitlebens anhaltenden Leidenschaft für militärische Strategie. Während des Deutsch-Französischen Kriegs 1870 beispielsweise, als er für die englische Pall Mall Gazette als Militärkommentator tätig war, erregte er große Aufmerksamkeit mit einem Artikel, in dem er den entscheidenden Sieg der

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