Deutschland allein zu Haus
Neujahr?«
»Mein Rücken! Ich habe wieder unglaubliche Rückenschmerzen«, stammelt sie. »Ich wollte hier oben unseren Mülleimer ausleeren, jetzt kann ich mich nicht mehr bewegen. Ich komme weder vor noch zurück.«
»Wieso bist du denn bis ganz nach oben geklettert? Den Eimer einfach unten umkippen, hätte voll und ganz ausgereicht.«
»Das geht nicht gut. Bald können wir dann die Haustür nicht mehr öffnen. Jetzt muss ich aber wirklich ins Krankenhaus.«
»Aber ich habe doch alle unsere Versicherungen inklusive unserer Krankenversicherung gekündigt, wie du weißt.«
»Kein Problem! Ich kann die Versicherungskarte von Oma Fischkopf holen. Sie hat mir das bereits mehrmals angeboten«, stöhnt sie und will dort oben einen auf Reinhold Messner machen. Und das mit einem kaputten Rücken, ohne Sicherungsseil und ohne Sauerstoffflasche.
»Kinder, wartet doch, ich helfe euch«, kommt Onkel Ömer angelaufen.
»Onkel Ömer, ich muss meine Frau ganz schnell ins Krankenhaus fahren«, sage ich zu meinem Onkel, damit er nicht auf die Idee kommt, sich uns anzuschließen.
»Kannst du es nicht mehr abwarten? Ist es tatsächlich so dringend?«, fragt er neugierig.
»Was meinst du denn damit?«
»Braucht ihr wirklich so dringend dicke Titten?«
Ich grinse meinen Onkel Ömer mit diesem unter harten Männern sehr verbreiteten Grinsen an, was heißen soll ›Ich bin halt eine unverbesserliche Sexbestie‹, verfrachte Eminanim auf den Rücksitz unseres Ford-Transit und gebe kuul Gas – wie ein Sexprotz eben!
Obwohl die Wirkung mit einem grasgrünen Ford-Transit nicht ganz die gleiche ist wie mit einem roten Porsche.
»Wie groß ist denn ihre Wohnung? Wie viele Quadratmeter?«, höre ich ihn zuletzt rufen. Er ist wieder in seinem Element. Das mit der unverbesserlichen Sexbestie hätte ich mir sparen können.
Als Macho-Män düse ich gen Zentralkrankenhaus in der Stadtmitte. Was kein Kunststück ist, denn die Straßen sind völlig leer. Die Notaufnahme, die sonst ständig zum Bersten voll war, wie ein orientalischer Basar und mit ähnlich vielen Orientalen drin, ist heute wie leer gefegt, genau wie die Straßen der Stadt.
»Osman, das ist ja toll! Wir werden überhaupt nicht warten müssen«, zwingt sich Eminanim zu einem Lächeln.
»Also gut, ich geb’s zu, ich habe keine Kosten gescheut und das ganze Zentralkrankenhaus heute Morgen für dich ganz allein reservieren lassen! Na, was sagst du jetzt dazu?«, lächele ich, ganz der Macho-Män, zurück.
»Ich sag, dass das der endgültige Beweis dafür ist, dass wir Ausländer wirklich der Grund allen Übels in Deutschland waren«, stöhnt sie mit schmerzverzerrtem Gesicht. »Schau doch, kaum verlassen die ganzen Ausländer das Land, geht’s den Deutschen blendend, und die werden nicht mal mehr krank!«
»Ich weiß nicht, ob deine Theorie wirklich stimmt«,grüble ich angesichts der Einmaligkeit des völlig leeren Wartezimmers der Notfallambulanz. »Vielleicht lassen die Deutschen jetzt auch noch ihre Blinddärme in Rumänien, der Ukraine oder in China rausoperieren, weil’s dort viel günstiger ist?«
»Ich darf Sie leider nicht aufnehmen«, ruft plötzlich jemand hinter uns. »Versuchen Sie Ihr Glück bitte woanders!«
»Warum denn, sind wir Ihnen etwa nicht deutsch genug?«, meckert Eminanim beleidigt.
»Aber wir sind doch Deutsche, lassen Sie sich nicht von unseren schwarzen Haaren täuschen. Die Dame hier ist Frau Fischkopf«, rufe ich dazwischen.
»Die NEPs mit ihrer Deutschtümelei können mir den Buckel runterrutschen«, sagt der Mann fast entschuldigend.
»Weshalb denn sonst?«, wundere ich mich. »In diesem Krankenhaus wurde mir nämlich schon achtmal der Magen ausgepumpt. In diesem Krankenhaus wurde mir schon zweimal mein Blinddarm rausgeschnitten. Bösartige Tumore, Schlaganfall, Parkinson, Tuberkulose, Herzrhythmusstörungen oder Nierenversagen, mit allem wurde ich hier schon behandelt.«
»Wobei du mit deinen Diagnosen immer ganz allein dagestanden hast«, stellt Eminanim mich vor einem völlig fremden Arzt bloß. »Mückenstiche mussten für Tumore herhalten, Schnupfen für Tuberkulose und Blähungen für Herzrhythmusstörungen. Nur dass wir alle unsere Kinder hier bekommen haben – das kann ich bestätigen!«
»Die Geburtsabteilung haben wir schon viel früher dichtmachen müssen«, meint der Arzt. »Die Deutschen bringen ohnehin keine Kinder mehr auf die Welt und die Ausländer wollen es nicht mehr in Deutschland tun!«
»Aber weshalb
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