Deutschland allein zu Haus
Mannschaften von internationalen Spielen ausgeschlossen haben, haben alle ausländischen Spieler eiligst das Weite gesucht. Auch unsere Nationalelf ist gesammelt geflüchtet, unsere ach so gern für unser Land spielenden sogenannten Nationalspieler, oder sollte ich besser sagen: geldgeilen Söldner!«
»Von mir aus, ich habe meine Dauerkarte für Werder sowieso zurückgegeben!«
»Liebe Kameraden, es ist ja nicht so, dass meine Partei die Ausländer nicht mag. Nur weil wir einigen kriminellen Ausländern jetzt mal etwas genauer auf die Finger gucken, hauen sie gleich wie Kleinkinder beleidigt ab! Da fehlen uns nun selbstverständlich leider ein paar Arbeitskräfte. Sie haben sicher Verständnis dafür, dass wir ab sofort alleHartz-IV-Empfänger, alle arbeitslosen Jugendlichen und die Hausfrauen umschulen müssen. Wir brauchen ganz dringend Leute für die Müllabfuhr, das Baugewerbe, die Krankenpflege, die Gastronomie, den Einzelhandel, gut ausgebildete Köche, Verkäufer, Facharbeiter, Ärzte, Ingenieure …«
»Ich bin gespannt, wie schnell man aus frustrierten Hartz-IV-Empfängern erfahrene Gehirnchirurgen basteln kann«, meint Nermin. »Der Vater von meiner Freundin Aylin hat eine IT-Firma mit Filialen in 12 Ländern. Die Hauptfiliale in Düsseldorf haben sie dichtgemacht und pendeln jetzt zwischen Barcelona und Istanbul.«
»… nun ja, das stand vielleicht nicht in unserem Wahlprogramm, meine Damen und Herren und Kameraden. Aber in ungewöhnlichen Zeiten sind wir gezwungen, zum Wohle des deutschen Volkes ungewöhnliche Dinge zu tun. Wir gehen davon aus, dass unsere Bevölkerung für diese Maßnahmen vollstes Verständnis hat. Dass die Wirtschaft am Boden liegt, ist ja bekanntlich nicht die Schuld der neuen Regierung! Wir mussten dieses Wrack von unseren Vorgängern übernehmen …«
»Das haben die Idioten aber fix gelernt«, kommentiert meine Tochter eifrig weiter. »Wenn man den Karren gegen die Wand fährt, schiebt man die Verantwortung eben auf die alte Regierung ab!«
41 Um 8.17 Uhr, 10 Minuten bevor die Linie 25 kommt, laufe ich aufgeregt zur Haltestelle.
Der Regisseur des Theaterstücks, von dem der Kurzbein-Hamdi mir erzählte, hat mich für heute Morgen zu einemwichtigen Zweiergespräch in sein Büro gebeten, um mich für sein neues Stück zu engagieren! Ich darf auf keinen Fall zu spät kommen. Ich bin irrsinnig gespannt, was für ein künstlerisches und finanzielles Angebot er mir unterbreiten wird!!
»Weltberühmte Schauspieler wurden von den Nazis ja schon immer verschont«, meinte Nermin gestern. »Sie nutzen sie einfach für ihre hinterhältigen Propagandazwecke!«
»Ich würde mich für nichts in der Welt vor den Karren der Nazis spannen lassen«, rief ich stolz.
»Wer redet denn von dir? Ich sagte doch weltberühmte Schauspieler, die keine Konkurrenz zu befürchten haben.«
»Als Türke habe ich ja auch keine Konkurrenz mehr zu befürchten. Inzwischen bin ich ja eine Rarität hier«, sagte ich.
Aber ich habe ein komisches Gefühl; egal wohin ich gehe, kommt es mir vor, als würde ich dort unweigerlich auf Mehmet treffen! Daneben habe ich noch ein komischeres Gefühl, das mir sagt, dass ich in letzter Zeit vermutlich deshalb wie ein durchgedrehter Staubsaugervertreter kreuz und quer in der Stadt auf Achse bin, weil ich in der stillen Hoffnung lebe, irgendwo plötzlich auf Mehmet zu treffen …
Obwohl die Buslinie 25 in der Regel immer sehr pünktlich ist, will ich kein Risiko eingehen.
Manchmal kommt der ›Gerd der Gerechte‹ nämlich schon ein paar Sekunden früher an, wenn er an dem Tag ausnahmsweise mal niemanden aus seinem Bus rauswerfen muss.
Gerd der Gerechte ist ein toller Fahrer!
Er ist immer pünktlich und höflich. Nur den randalierenden ausländischen Goldkettchen-Jugendlichen und pöbelndendeutschen Glatzen gegenüber ist er nicht ganz so höflich. Man könnte sogar fast sagen, denen gegenüber ist er etwas zu rabiat! Die fliegen hochkantig aus seinem Bus raus und bekommen auch noch Busverbot! Aber nicht, dass er politisch wäre, nein, er mag nur nichts Glänzendes: weder Goldkettchen noch Glätzchen!
Der Şöför-¸ Şükrü ist auch einer meiner Lieblingsfahrer. Wenn ich mal meinen Geldbeutel zu Hause liegen lasse, streckt er mir immer das Fahrgeld vor. Und Tee aus seiner Thermoskanne gibt’s auch gratis dazu.
Dienstags, um 8.17 Uhr ist Gerd der Gerechte dran. Er ist normalerweise immer auf die Minute pünktlich …
Heute nicht!
Es ist bereits 8.25 Uhr und
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