Deutschland allein zu Haus
sich hin gammelte. Wir sollen aber schnell wieder zurückkommen, sagte der Regisseur, weil der Kollege Benno eine etwas größere und anspruchsvollere Rolle habe als ich. Das sah man dem Köter auch äußerlich an, weil der, im Gegensatz zu mir, richtig professionell geschminkt war.
Ich lief also mit meinem neuen Kollegen Benno nichtsahnend an die Weserpromenade.
Ich hoffte, dass die frische Luft mein starkes Lampenfieber etwas mindern könnte. In dem Moment hörte ich erschrocken, wie eine kleine Gruppe von türkischen Jugendlichen hinter mir schon ziemlich aggressiv tuschelte, ob sie diesen blöden Nazi verprügeln sollten.
›Jungs, lasst das, mit Prügeln kann man niemanden von irgendeiner Idee überzeugen‹, rief ich denen zu, ›Nazis erst recht nicht! Wenn ihr die Menschen ändern wollt, müsst ihr schon was Künstlerisches auf die Beine stellen, so wie ich. Nicht umsonst habe ich neuerdings persönlich eine schauspielerische Laufbahn eingeschlagen.‹
Dass ich neuerdings eine schauspielerische Laufbahn eingeschlagen habe, interessierte die türkischen Jugendlichen herzlich wenig. Die bestanden ihrerseits immer noch darauf, dem ›blöden Nazi‹ auf jeden Fall was aufs Maul hauen zu wollen.
›Jungs, dann seid ihr ja kein bisschen besser als die Nazis‹, versuchte ich sie davon abzuhalten, was sie wiederum wenig überzeugte. Der Muskelbepackteste und dementsprechend der Wütendste von denen zischte mit funkelnden Augen:
›Gleich kriegt das Arschloch von mir was auf die Fresse!‹ – uuuunnd packte dann mich mit beiden Händen am Kragen.
›Jetzt bist du fällig, du dummes Arschloch!‹, brüllte er.
›Okäy, okäy, lass mich los! Wenn du unbedingt drauf bestehst, dann prügele dich doch mit dem blöden Nazi‹, röchelte ich und versuchte verzweifelt, mich aus seinem Würgegriff zu befreien. Seine beiden Kumpels kamen auch sofort angerannt, aber anstatt mich zu retten, klatschten sie mir mehrmals auf den Hinterkopf.
›Jungs, lasst mich doch bitte! Ich hab wirklich nichts mehr dagegen, dass ihr den blöden Nazi prügelt! Haut ihm sogar auch von mir eins in die Fresse, das haben die doch längst verdient‹, rief ich gönnerhaft. So weit ging meine Sympathie für die Nazis nämlich auch wieder nicht, dass ich an deren Stelle verprügelt werden wollte.
Aber nicht mal dieses tolle Angebot vermochte die völlig aufgebrachten Mini-Rambos zu beruhigen.
›Los, Benno, fass sie!‹, brüllte ich in meiner Verzweiflung.
Benno dachte aber nicht mal im Traum daran, irgendjemanden zu fassen. Was er genau träumte, konnte ich nicht herausfinden, weil er völlig apathisch den wenigen Schiffen auf der Weser nachschielte.
Ich konnte ja nicht wissen, dass Benno sogar extra gekaastet worden war, um für dieses Theaterstück Bremens halb totesten Hund darzustellen. Das wussten die türkischen Jugendlichen leider auch nicht und schickten den armen Benno mit einem kräftigen Tritt in den Hintern brutal in die Weser.
Danach schnappte sich der Testosteron-Rambo meinen linken Arm und schrie wie wild:
›Soll ich ihn brechen, hä? Soll ich ihn brechen, du blöder Nazi?‹
Völlig entsetzt begriff ich, dass ich eigentlich die ganze Zeit der blöde Nazi war!
Der Regisseur war später viel trauriger, dass sein vierbeiniger Star Benno was abbekommen hatte, als dass ich verprügelt worden war.
›Weißt du was?‹, schimpfte ich mit ihm. ›Wenn ihr Idioten mir einen Mantel mit einem Hakenkreuz am linken Ärmel anzieht, dann habt ihr auch nichts anderes verdient! Gute Nacht, Gutenmorgen!‹«
»Guten Morgen? Wieso guten Morgen??«, fragt Eminanim zu später Stunde aufgebracht. »Osman, warum sagst du dem Mann denn mitten in der Nacht guten Morgen?«
»Ich fass es nicht! Bei dieser ganzen Geschichte regt dich nur das auf, oder was?«
»Du wirst alt!«
43 www.hautdieglatzenbissieplatzen.de
Am nächsten Morgen schaue ich als Erstes wieder Mehmets Internetseite an, in der Hoffnung, dort einen Hinweis über seinen Verbleib zu entdecken, entdecke aber stattdessen die neue Folge von:
DIE HERRMANNs – Eine Bremer Homestory in mehreren Folgen. Folge 4:
Da alle ausländischen Köche sich weigerten, für Hilde und ihre Familie zu kochen, und es vorzogen, lieber aus diesem schönen Land zu verduften, hatte Frau Herrmann nach langem Grübeln plötzlich eine geniale Idee!
Sie hat ihre Schwiegermutter, also die Mutter von Herbert,deren Speisen ihr Mann seit ihrer Hochzeit nachtrauerte und von deren Kochkünsten er jeden
Weitere Kostenlose Bücher