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Deutschland macht dicht (German Edition)

Deutschland macht dicht (German Edition)

Titel: Deutschland macht dicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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Drittel der Bevölkerung auf die eine oder andere, gedrehte oder gestreckte, zerrissene oder gestauchte Art.
    Sogenannte Ausländer, Menschen, die nach finsterem Blut- und Stammesrecht nicht dazugehörten und deren temporal-spatiale Einbettung ins Land und dessen Traumorientierung sowieso stets leicht von derjenigen des einheimischen Menschenschlags abgewichen war, überlebten das Ereignis nicht: Schweizer liefen an Hauswänden herunter wie verschüttete Milch; Afghanen lösten sich in rauchige Kringelchen auf; Chinesen und Taiwanauten verhallten als bläßliche Echos; Italiener, die zwanzig Jahre hier gewesen waren, und in Düsseldorf geborene Türken büßten ihre sämtlichen Wassermoleküle ein und rieselten als feiner Staub zu Boden. Ein Ziehen, das wie »Sarra« klang, zog zwetschgenblau durch zwiefach zweifelhafte Zeit. Aus der abgeschnittenen Zukunft fielen zwölf intelligente, ab 2036 im Personennahverkehr bundesweit als Chauffeure eingesetzteTintenfische in den Kölner Dom, wo sie von einer Horde altrheinischer Frühmenschen mit Knüppeln und Steinen zerpatscht wurden. Nach dreißig Planckintervallen sortierte sich das Land, neu eingebrezelt und erfolgreich mit sich selbst verstopft, von Nord nach Süd und Ost nach West her. Kleine Unregelmäßigkeiten traten auf: Die Hamburger Trockendocks staken kurz ins südbadische Wiesental, das Oktoberfest glitt brüllend die Zugspitze herunter, und die Bonner Universität fiel in den Bodensee. Nach weiteren zwölf Planckintervallen unterwarfen sich die meisten dieser Abweichungen den nun obwaltenden, ganz anders aufgebauten Dekohärenzeffekten und sanken auf das niedrigste erreichbare Energieniveau ab.
    Gewölbe ins Weite, Paläste in Flammen, Schöpfung im Stocken, Leben aus dem Zusammenhang, Tanz der Scheiße, Bruch des Geheimnisses, Erbleichen Gottes, Überschwang aller Nährstoffe des Verkehrten.
    Dem Teufel tat der Hintern weh, so viel war da auf einmal rausgefallen.
    Ein Hund bellte.

    Ein Baum fiel um, ein Tourist aus Hessen saß zwischen zwei Versionen des Loreleyfelsens fest. Pfadintegrale wurden gebildet, Wahrscheinlichkeitswellen glichen einander aus, löschten oder verstärkten sich gegenseitig. Endlich war es geschafft: Deutschland, raumdicht, zeitdicht, ein Hosentaschenuniversum, Lichtprovinz, Geruchsprovinz, Geschmacksprovinz, Berührungsprovinz, Geräuschprovinz, Schwerkraftprovinz, Beschleunigungsprovinz, Elektronenprovinz, Nichtraum, Antikosmos über alles in der Welt.
    Ein Standort, der von nichts mehr abstand, war geschaffen.

13.
Kanzlerplage
     
    Nur drei der zehn Kanzler – neun ehemalige und ein vom Moment der Katastrophe aus betrachtet erst zukünftiger, übrigens weiblicher –, die im Moment der erfolgreichen Selbstdurchdringung Deutschlands allesamt in der Trabantensiedlung in die Wirklichkeit purzelten, die unter anderem von Familie Vollfenster und der alten Frau Etzel bewohnt wurde, überlebten die ersten zehn Minuten der Pfropfenära.
    Einer wurde von der Alten gefressen, er ist uns schon begegnet. Drei gingen sofort in Flammen auf, zwei wurden von Frau Etzels Katzen getötet. Die überaus verwirrte Frau Porst von den GRÜ-NEN, die in den vierziger Jahren des einundzwanzigsten Jahrhunderts von einer öffentlichen Empörungswelle über den größten europäischen Umweltskandal aller Zeiten ins Amt gespült worden sein würde, lief vor ein führerlos die Straße runterbrummendes Müllauto, geriet unter die Räder und wurde bis zu der kleinen Bäckerei mitgeschleift, in die der Wagen krachte, woraufhin er zur Seite kippte und rauchend liegenblieb, zwischen Laugenbrötchen, Rosen und schlampig entrollten zusätzlichen Raumdimensionen, die ein bißchen wie Schmetterlingstrauben aussahen.
    Die drei verbleibenden Kanzler hatten den Unfall mit angesehen und waren gewarnt.
    Sie rannten um die Ecke des froschgrün gestrichenen Autohauses, das gegenüber der Bäckerei stand, und duckten sich hinter einer schwarzen Tonne, um miteinander zu beraten, was geschehen sollte.
    »Wir könnten beten«, schlug der erste vor, »hilft immer.«
    »Reiß dich zusammen«, schnob der zweite verächtlich. »Beten und Flennen bringen uns nicht weiter. Wo sind wir überhaupt?«
    »Ihnen, hören Sie, fehlt die Demut. Ihnen hat schon damals alle Demut gefehlt«, murrte der erste.
    »Ich brauche keine Predigt. Ich brauche einen Krisenstab«, stellte der zweite sachlich fest.
    »Wir brauchen keinen Krisenstab, wir brauchen nur den HErrn. Sein Stecken und Stab trösten

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