Deutschland macht dicht (German Edition)
riß in gespieltem Entsetzen die Augen auf, klatschte sich mit beiden Händen sacht gegen die Wangen, formte den Mund zum runden Oh und kiekste: »Kein Handy! Ein moderner Mensch wie du! Unmöglich!«
Hendrik runzelte die Stirn und sagte leicht verlegen: »Na ja, so viele Kumpels, die dauernd wie ihr Mädchen mit den Dingern rumtratschen, hab’ ich ja nicht ...«
Sie schien ihn gar nicht gehört zu haben, lachte und sagte: »Egal, dann gehen wir jetzt da wieder rein, würd’ ich meinen.«
Clea stand auf, faßte ihn am rechten Handgelenk und zog ihn, der sich selbst hochdrückte, in die aufrechte Position.
»Was machen wir da?«
»Wir suchen ein Telefon.«
»Und wenn wir keins finden?«
»Dann gehen wir halt durch den Wald zurück in die Stadt und suchen ’ne Säule. Dann rufen wir meine Mutter an und blasen den ganzen Entführungsblödsinn ab. Oder wir sagen, du hättestmich gerettet, und dann zahlt dir meine Mutter die Mitgift schon mal vorab aus. Da fahren wir erst mal schön lang in den Urlaub und ...«
Auf einmal ließ sich Hendrik nicht mehr bewegen, entzog ihr seine Hand, stopfte beide Hände tief in seine Hosentaschen und sah Clea finster an.
»Was ist denn jetzt? Sind wir brummelig?« Sie tipste ihm mit dem rechten Zeigefinger gegen die Brust.
Er trat einen Schritt zurück und sagte, gefährlich leise: »Du denkst, du hast mich im Sack, ja? Deine Mutter kauft mich dir jetzt als Geschenk, und dann wird alles super? Und was hier gerade sonst läuft, das interessiert dich eher nicht, oder?«
Ungläubig und immer noch ein bißchen lachend – was war denn das jetzt? – sagte Clea: »He, reg’ dich ab, ist doch ’n Abenteuer, oder?«
»Ja, klar, ein touristisches ... tolles ... weißt du was, Clea? Röschen ist zwar manchmal auch bescheuert, aber jedenfalls nicht halb so hohl wie du. So total weltüberhohl. Du bist so leer, das faßt man gar nicht.«
Das war natürlich das Gemeinste, was er hätte sagen können: den Namen der Konkurrentin in einem solchen Zusammenhang zu nennen, entsprach einer schallenden Ohrfeige. Sofort wurde Clea mißmutig: »Na, dann entführ’ doch das nächste Mal die, wenn du kannst, deine Kuh. Mal sehen, was sie dir dann wieder für eine Moralpredigt hält, verklemmt wie sie ist.«
Hendrik lachte jetzt auch, es klang bitter: »Weißt du, was echt ’n Abenteuer wäre? Wenn ich dich mal in den Scheißsupermarkt mitnehmen würde, wo meine Eltern am Samstag für uns alle einkaufen, weil sie so genau rechnen müssen. Und wir sind Akademiker, wirsind relativ reich ... noch besser, ich nehme dich mal dahin mit, wo Osmans Eltern einkaufen. Jetzt müssen sie für den ja wenigstens nicht mehr einkaufen, er ist ja jetzt weg vom Fenster.«
»Supermarkt, toll. Und was soll ich da dann für ein Abenteuer erleben?« Clea gab sich alle Mühe, daß sich das möglichst patzig anhörte.
»Kannst dann mal versuchen, einzukaufen. Mußt aber, damit das Spiel auch Spaß macht, so tun, als ob du nur ganz wenig Geld hättest.«
»Und das fände ich witzig, oder was?«
»Du wärst wahrscheinlich der erste Mensch, Clea, der in dem Laden was zu lachen hätte. Wär’ das nix? Mal einen Tag, nur einen Scheißtag lang leben wie normale Menschen? Willst du vielleicht auch mal mit normalen Menschen ins Bett? So normalen Menschen wie mir?«
»Ich versteh’ gar nicht, was du hast«, sagte Clea, jetzt eher defensiv, und streckte ihre Hand nach seiner in der Hosentasche vergrabenen Rechten aus.
»Miet’ dir doch mal ’ne Wohnung überm Dönerladen«, sagte Hendrik und kam jetzt richtig in Fahrt, »dann schneid’ dir deine Haare mal so, wie sie die Mädchen sonst haben, und such’ dir ’n Job, rauch’ paar Drogen, häng’ in der Spielhalle in der B-Ebene vom Hauptbahnhof rum, tu’ so, als wärste nie auf so ’ner Superschule gewesen, und weißte was?«
Sie wich zurück, er rief: »Du wirst es trotzdem nie kapieren. Denn wenn du da dann spätabends im Bett liegst und den Kakerlaken dabei zuguckst, wie sie die Wand rauf- und runterkrabbeln, dann könnteste immer noch deine Drecksmutter anrufen, und die kommt dann mit dem Chauffeur angefahren und bringt alles in Ordnung. Du wirst es nie erleben, wie das ist, als normaler Mensch, du wirst nie scheitern wie meine Brüder, du wirst nie zugucken, wie dein Leben vom Tisch rutscht und wie du nix mehr machen kannst außer kiffen und saufen und Rapstars imitieren, weil du halt nichts anderes mehr zu tun hast.«
»Na ja, vielleicht fände ich das
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