Deutschland macht dicht (German Edition)
wollen, und dann auch solche Stelzen dranbasteln wie bei den ... Katzen. Ist sie weg? Ist sie tot?«
»Hat sich erledigt«, bestätigte das Kunstwerk und biß die Fesseln des Herausgebers durch. Der seufzte, setzte sich gerade hin, strich sich den verschmutzten Anzug glatt und sah das Kunstwerk fragend an.
»Was denn?«
»Na ja ... meine Beine? Was ist damit?«
»Sorry. Verhext. Kann ich nix dran machen.«
Rosalies Vater wurde ärgerlich: »Was heißt das, nix dran machen? Soll ich hier sitzen bleiben und ... verschimmeln?«
»Du kannst dich auf mich drauflegen. Wir gehen jemand suchen, der dich da rauskriegt«, schlug das Kunstwerk vor und lehnte sich flach auf sein Gestell.
Bernd Vollfenster hob sich nicht ohne Mühen von der Platte, an die er gefesselt gewesen war, rollte sich hinüber auf das dicht an dicht daneben stehende Kunstwerk und sagte: »Ich bin übrigens Bernd Vollfenster.«
»Ohne Titel«, stellte sich das Kunstwerk vor.
17.
Hendriks Geständnis
Als sie den von Farnen aus der Urzeit fast völlig zugewucherten Bahnhof Sportfeld gefunden hatten, setzten sich Hendrik und Clea erleichtert ins Gras. Im gelbroten Spätnachmittagslicht teilten sie ein paar von den Chips, Schokoriegeln und Coladosen, die sie mit Hilfe eines Feuerlöschers aus dem Automaten im Parkhaus befreit hatten.
Die Nacht lang waren sie im Kassiererhäuschen geblieben, auf Hendriks Vorschlag hin abwechselnd Wache schiebend: »Wir sollten das Parkhaus nicht untersuchen. Ich betrete überhaupt kein Gebäude mehr, bevor ich nicht weiß, was passiert ist«, hatte er erklärt. »Aber wir sollten auch nicht beide ratzen, falls doch wer drin ist, irgendwo im Parkhaus, mein’ ich, und plötzlich rauskommt.«
Viel Schlaf war beiden nicht geschenkt worden. Hendrik hatte zwar aus geparkten Autos ein paar Decken gestohlen und aus dabei ebenfalls mitgenommenen Jacken Kissen geklumpt, auf dem Fußboden war es aber trotzdem sehr kalt gewesen. Am Morgen hatten sie den Automaten entdeckt und geplündert, dann waren sie sofort aufgebrochen, um schleunigst aus dem Wald zu finden – »oder«, so Clea fatalistisch, »tiefer reinzustolpern«.
Hendriks Beteuerung, es sei völlig sicher, sich am Moosbewuchs der Bäume zu orientieren, kam ihr nicht besonders glaubwürdig vor.
Tatsächlich orientierten sie sich beim Marsch durch den Wald und in die Richtung, in der man menschliche Ansiedlungen vermutete, dann doch nicht am Moos, sondern an der Sonne, das heißt an deren vermuteter Bahn, die man mit den eigenen Armbanduhren abglich. Beide hingen schweigend ihren je eigenen Gedanken nach; Clea fühlte sich vage eingesperrt in einer Art Reservat, und Hendrik vermißte, ohne sich darüber recht klarwerden zu können, seine rüden Freundemit dem vornehm kultivierten türkischen Kampfakzent, auch die Brötchenserbin, alles eben, was nicht leitkulturdeutsch schmeckte. Am liebsten hätte er getan, was der älteste Kommunist Deutschlands als »seine Klasse verraten« kannte, aber wie? An wen?
Unterwegs stießen Clea und Hendrik auf diverse Objekte, Zeichen und melancholische Relikte. Leider war nichts dabei, was sprechen oder sich sonstwie erklären konnte: tote Delphine in zertrümmerten Tanks, ein silbergrau bestäubtes Mondauto und eine feuerrote fliegende Untertasse von anderthalbfacher Menschenhöhe Durchmesser, die wie ein schwerer, von Riesenhand geworfener Diskus im Boden steckte. »Absolut glatte Oberfläche ohne Lichter oder Luken«, stellte Hendrik fasziniert fest, aber Clea zerrte ihn fort: »Das vibriert, das Ding, wenn wir näher kommen, merkst du das? Laß uns ’nen Bogen drum machen, bitte.«
Beim Kauen und Ausruhen, gute achtzehn Stunden nach Verplombung des Landes, sah Hendrik deutlich entspannter und freundlicher aus als gestern abend. Clea riskierte eine wichtige Frage: »Sag’ mal? Hendrik? Du hast mir nicht erzählt, wie du dir eigentlich die ganzen Schrammen geholt hast – ist das nur passiert, weil der Weg samt Mofa umgefallen ist? Oder hattest du sonst noch ... Erlebnisse?«
Hendrik sah sie nicht an, sondern schaute über die vorsintflutliche Landschaft, an deren äußersten Rändern man ein paar Dächer sah, weiter weg sogar die Hochhäuser der City.
Mit eifrigen Kiefern mahlte er auf seinem Twix herum. Dann schluckte er, spülte den Rest mit einem Schluck Cola runter und sagte gedehnt: »Aaaalso, ich wollte dir das gestern nicht sagen, weil ... na ja, erstens hättest du ja vielleicht die Panik gekriegt ...«
»Wie
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